SCHLAGFERTIG


Stefan Blöcher, der Hockey-Missionar aus Wiesbaden mit Handicap 4, ist in die Heimat zurückgekehrt und netzwerkt nun für die BRITA-Arena

„1:1, Du Arschloch!“, presste Stefan Blöcher mit letzter Kraft aus sich heraus. Mit der Frage nach dem Spielstand hatte ihn der Notarzt nach der Bewusstlosigkeit auf mögliche Schäden testen wollen. Für Blöcher aber war trotz des einsetzenden Erinnerungsvermögens der Einsatz bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul beendet. Mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h hatte ihn der gegnerische Ball knapp hinter der Schläfe getroffen. „Ein Glück, dass ich das überlebt habe“, sagt Deutschlands seinerzeit bekanntester und weltweit erfolgreichster Hockeyspieler, der nun im vierten Jahr als Geschäftsführer die Geschicke der BRITA-Arena in Wiesbaden leitet.

Stefan Blöcher (60) gilt als Inbegriff des erfolgreichen Profisportlers, der auch hauptberuflich gut davon leben konnte - und das in einer Randsportart, die von der großen Masse nur alle vier Jahre bei den Olympischen Spielen wahrgenommen wird. 259 Länderspiele hat er bestritten, Silber bei den Olympischen Spielen in LA und Seoul geholt, wurde 5 x Europameister, 2 x Deutscher Meister und einmal Australischer Meister. 1987 wurde er zum besten Spieler der Welt gekürt.

Doch was hat er, was andere nicht haben? „Ein gutes Netzwerk“, antwortet Blöcher, der zum Jet Set des deutschen Sports gehört, prompt. Um ihn herum ist ein Netzwerk entstanden mit Legenden wie Boris Becker, bei dessen Hochzeit mit Lilly er einer der Trauzeugen war, oder Franz Beckenbauer, dessen Kinder und Blöchers Tochter Xenia dieselbe Schule besuchten. Hinzu kommt sein Engagement bei „Laureus Sport for Good“, einer gemeinnützigen Stiftung zugunsten sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher, für die er jüngst Fußball-Weltmeister Roman Weidenfeller als Botschafter verpflichten konnte. „Wir Sportler sprechen alle eine Sprache“, weiß Blöcher. Und die setzt er für seine Projekte gezielt ein.

Die ganze Welt bereist und doch der Heimat verbunden
Stefan Blöcher ist gebürtiger und bekennender Wiesbadener. Dorthin nach 35 Jahren zurückgekehrt zu sein, empfindet er als unbeschreibliches Glück. Erinnerungen an die Kindheit werden wach: „Hier bin ich zur Schule gegangen, hier habe ich mein erstes Bier getrunken, hatte meine erste Freundin.“ Und hier lebt und wirkt auch noch seine 86-jährige Mutter und Sport-Ikone Rosi Blöcher, die als erste auf das Talent des Jungen aufmerksam geworden war. Seine Karriere beginnt selbstverständlich beim Heimatverein THC Wiesbaden, später – mit Beginn der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann - wechselt er zum Limburger HC, dann zu Rot Weiß Köln, der Stadt, wo er sein Studium als Diplom-Sportlehrer abschließt. Es folgen der SC 80 Frankfurt und Brisbane Baldes, mit dem er 1991 Australischer Meister wird.

Blöcher bereist die Welt. Wenn er zurückkommt, hat er immer außergewöhnliche Geschichten im Gepäck. Zum Beispiel von seiner Reise nach Malaysia, wo er den Königskindern Hockey beibringen sollte, oder seinem sportlichen Einsatz bei Zia-ul-Haq, dem Diktator von Pakistan, der ihn vorwiegend mit Teppichen bezahlt hat. „Die wurden mir dann vom Zoll in Frankfurt wieder abgenommen“, erzählt er lachend und denkt laut darüber nach, wie es eigentlich wäre, wenn er mal ein Buch schreiben würde… Denn seine Mission von Hockey hat er in viele Länder gebracht, auch nach Mexiko, Äthiopien, Ägypten, Indien, Simbabwe, Sambia und und und.
Gespielt hat Blöcher vor bis zu 80.000 Zuschauern. „Heute nicht mehr vorstellbar“, wie er sagt. „Das Medieninteresse gilt in erster Linie dem Fußball“, meint er bedauernd, obwohl Hockey, seit 1972 die erfolgreichste Mannschaftssportart in Deutschland, sehr professionell aufgestellt sei. Alleine beim Videobeweis könnte sich der Fußballsport eine Anleihe machen.

Sein eindrucksvollstes Erlebnis aber war sein 250. Länderspiel in Lahore. Da feierte Blöcher, auch der „weiße Pakistani“ genannt, gerade seinen 30. Geburtstag und 80.000 Menschen feierten mit. Als er völlig überwältigt seinen Schläger ins Publikum wirft, löst er damit eine Massenschlägerei aus. Ein Angehöriger des Militärs bringt den Schläger, den er voller Hochachtung auf dem Unterarm trägt, zurück und bittet ihn: „Tun Sie das nie wieder. Die Menschen würden sich dafür töten.“

Vom Hockeyspieler zum Unternehmer
Doch Blöcher ist nicht nur ein begnadeter Hockeyspieler und -trainer gewesen, auch im Golfsport hat er sich einen Namen gemacht. Derzeitiges Handicap: 4,3. Das wurmt ihn, war er doch mal bei Handicap 4, als er das noble Resort „Golf de Andratx“ in Camp de Mar auf Mallorca geleitet hat. Wie er ins Golfgeschäft eingestiegen ist? Die Liebe zum Golfsport entdeckte er noch während seiner aktiven Zeit, als er mit der Mannschaft bei der Champions Trophy 1980 in Australien in einem Hotel direkt am Golfplatz untergebracht war. Später kommt er durch Zufall zum „Eagles Charity Golfclub“ und dadurch in Kontakt zu prominenten Sportlern und Schauspielern. 1992 fällt die Entscheidung und Blöcher wechselt den Hockey- gegen den Golfschläger, wird Sportdirektor am Golfclub Wiesensee im Westerwald, vier Jahre später ist er Präsident. Unter seiner Ägide entsteht eine Eventstätte, für die er namhafte Künstler wie Howard Carpendale oder auch Sportgrößen wie Erich Kühnhackel verpflichten kann.

Das Angebot des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Dorint AG, Dr. Herbert Ebertz, ein Golf-Hotel auf Mallorca aufzuziehen, kann und will Blöcher nicht abschlagen. Mit der Ausrichtung der ersten Boris Becker-Golf-Trophy mit Claudia Schiffer, Michael Douglas und Franz Beckenbauer, der Mercedes-Benz-Trophy und der Premier-Golf-Trophy schafft er es, in kurzer Zeit die Welt der Schönen und Reichen nach Mallorca zu holen.

Nach 12 Jahren ist wieder ein Wechsel angesagt. Mit seiner damaligen Ehefrau Tina und Tochter Xenia geht’s nach Kitzbühel, wo Blöcher eine Sport- und Eventagentur gründet. Daneben macht er sich auch in Limburg mit der „Stefan-Blöcher-Sportmarketing“-Agentur selbstständig. Für ihn die ideale Ergänzung als Geschäftsführer der BRITA-Arena in Wiesbaden, für deren Vermarktung er seit vier Jahren zuständig ist. 2021 werden dort zum ersten Mal internationale Top-Künstler wie Lionel Richie und Fury in the Slaughterhouse auftreten (www.brita-arena.de)

„Ich fühle mich zum ersten Mal zu Hause angekommen“, sagt Stefan Blöcher, der mit 18 Jahren auszog, um die Welt zu bereisen, und nach über 30 Jahren dorthin zurückgekehrt ist, wo seine einzigartige Karriere begonnen hat.

„Und ich bin stolz und dankbar, der Heimat etwas zurückgeben zu können.“

PORTRAIT STEFAN BLÖCHER

• Geboren am 25. Februar 1960 in Wiesbaden, lebt dort mit Lebensgefährtin Anna Posch
• Hat mit seiner damaligen Ehefrau Tina eine Tochter, Xenia (23), die mehrsprachig aufgewachsen ist und mittlerweile eine eigene Agentur führt
• Ist gelernter Einzelhandelskaufmann, Diplom-Sportlehrer und Deutschlands bekanntester und in den 80-ern erfolgreichster Hockeyspieler, wurde 1987 zum „Welthockeyspieler des Jahres“ gekürt
• Hat EM, WM und Olympia gespielt, zahlreiche Titel errungen - vom Deutschen Meister über den Europameister, Vizeweltmeister bis hin zum olympischen Silber
• Konnte als einer von wenigen in Deutschland von einer Randsportart leben, sorgte mit seinem Aussehen (1,90 Meter und blond) insbesondere in Asien („der weiße Pakistani“) für große Aufmerksamkeit
• Spielte in Deutschland in Top-Mannschaften wie Wiesbaden, Limburg, Köln, Frankfurt und München; hat als Mittelstürmer viele entscheidende Tore gemacht; wurde auch der „Beckenbauer des Hockeys“ genannt
• War erster deutscher Profi, der Australischer Meister wurde
• Wechselte 1992 von Hockey zu Golf, leitete Golfanlagen u.a. auf Mallorca, in Kitzbühel und in Fleesensee, schrieb Sportkonzepte für TUI-Cruises und AIDA
• Hat in der renommierten deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ Kolumnen zum Thema „Golfen“ geschrieben
• Ist Sprecher von „Laureus Sport for Good“, engagiert sich für den „Eagles Charity Golf Club“
• Hat zwei Agenturen, mit denen er u.a. touristische Anlagen betreut und Events organisiert
• Ist seit Oktober 2016 Geschäftsführer der Wiesbadener BRITA-Arena und zuständig für Marketing, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit
• Hat zwei ausgeprägte Leidenschaften: Kochen und die Sportreportage am Sonntag um 17.10 Uhr

Text: Edith Billigmann / Fotos: Edith Billigmann; Stefan Blöcher; Laureus Sport; SV Wehen Wiesbaden