Mit Geselligkeit zum echten Weinkenner


„Ich wollte schon immer lernen, wie man guten von schlechtem Wein unterscheiden kann.“

Die beiden Vorstandsmitglieder sitzen an diesem späten Nachmittag schon seit einer Stunde gemeinsam am Tisch bei einem Glas Weißwein und erzählen. Sie sind beide keine Historiker und doch unterhalten Sie sich angeregt über ein Thema von wahrlich weltumspannender und historischer Bedeutung.

Die beiden reden über Wein.

Weinbau ist erstmals im 6. Jahrtausend v. Chr. in Georgien und Armenien, also Vorderasien nachgewiesen. Seitdem hat er sich auf der ganzen Welt verbreitet. In Kalifornien ebenso wie in Südafrika und Australien. Europa und insbesondere Südeuropa zählen noch heute zu den wichtigsten Anbaugebieten.

Die beiden Weinkenner trinken aber nicht nur gern einmal ein Glas „guten Weißen“ oder „guten Roten“. Sie kümmern sich fast schon professionell um den Rebensaft und wissen fast alles über diesen „vergorenen Saft aus den Beeren der Edlen Weinrebe“.

Wein war nicht immer nur ein Getränk
Wein hatte viele Jahrhunderte eine große Bedeutung in der Medizin, für das rituelle Leben und auch in den Religionen. Lange glaubte man zum Beispiel, die durch den Alkohol erzeugte Ektase führe zu einer besonderen Nähe zur Gottheit. Und Gottheiten gab es in den vergangenen Jahrtausenden genug.

Im antiken Griechenland stand Wein im Mittelpunkt der Kulte um den Gott Dionysos, einem damals landesweit bekannten und gleichsam angebeteten Kampftrinker. Die Römer verehrten Bacchus als den Gott des Weines. Sie waren es auch, die den Wein in den Norden des Kontinents brachten. So kamen auch die Germanen erstmals mit dem Wein in Berührung.

Medizinische Anwendungen sind insbesondere für das 12. Jahrhundert in Deutschland beispielhaft und umfangreich in den Schriften der Äbtissin Hildegard von Bingen belegt. Bei den Christen gilt der Wein noch heute als Symbol für das Blut Christi und ist Teil des Sakraments der Eucharistie. Dies beschert den Priestern noch immer bei der Wandlung ein Schlückchen Wein während des Gottesdienstes.

So nimmt es auch nicht Wunder, dass die Kirche schon sehr lange zu den großen Besitzern von Weinbergen gehörte und gehört. Die Vergangenheit des Klosters Eberbach in der Nähe von Eltville ist ein Beispiel hierfür.

Natürlich können echte Weinkenner noch viel mehr über die Geschichte des Weins erzählen. So auch über die Geschichte, in der Wein einigen Menschen das Leben rettete.

Die Rede ist vom griechischen Heldenepos Odyssee. Hier, so wird erzählt, geriet Odysseus in die Gefangenschaft des einäugigen Zyklopen „Polyphem“. Durch eine List verleitete Odysseus den Zyklopen zum Weinrinken. Während der anschließend seinen Rausch ausschlief, konnte Odysseus fliehen.

Seit sehr langer Zeit beschäftigen sich Menschen aber auch inhaltlich und wissenschaftlich mit dem Wein. So auch die beiden Gäste des Nachmittags. Sie sind beide Mitglieder der Weinbruderschaft „Nassauer Land“.

Jahrhunderte alte Weinbruderschaften
Bruderschaften sind organisierte Gemeinschaften, die gemeinsame Interessen verfolgen. Weinbruderschaften gibt es schon seit mehreren Jahrhunderten. Öffentliche, kulturelle und fachliche Weinveranstaltungen stehen bei ihnen auf der Tagesordnung. Sie pflegen und bewahren die Kultur und die Geschichte des Weines sowie das Wissen um den Wein. Die Weinbruderschaft „Nassauer Land“ wurde 2008 im Weinhaus Schultes in Limburg gegründet. Von Anfang an sind auch Frauen Mitglieder der Bruderschaft, die damit eigentlich „Geschwisterschaft“ heißen müsste. Mehr als ein Drittel der Mitglieder sind heute Frauen.

Die Mitglieder der Weinbruderschaft „Nassauer Land“ besuchen zum Beispiel Winzer vor Ort. Teilweise auch in Italien und Frankreich. Zudem gibt es monatliche Treffen im Vereins-Lokal „Bürgerhaus Staffel“ oder in anderen geeigneten Lokalitäten der Region, zu denen auch Gäste eingeladen sind. Es sind Präsentationen von Winzern oder auch Fachvorträge renommierter „Weinkundiger“ – beispielsweise Deutschlands renommierte Sommeliere Natalie Lumpp, oder den Kenner der Ahrtal-Weine Paul Gieler. Einmal im Jahr gib es zudem eine Champagnerverkostung. Ein besonderer Lieblingstermin der Frauen, wie die beiden Vorstandsmitglieder schmunzelnd erzählen.

Die meisten Mitglieder der Bruderschaft hatten auch früher gern ein Glas Wein getrunken. Sie hatten sich schon lange für Wein interessiert und wollten mehr über Wein wissen und wie man guten von schlechtem Wein unterscheiden kann. Inzwischen sind sie alle echte Weinkenner geworden.

Geschult wird zum Beispiel das Verständnis des Weinbaus, seiner Ursprünge und Historie genauso wie die Schulung der entsprechenden Sinnesorgane in der Wahrnehmung von Farbe, Geruchs-Noten und Geschmacks-Aromen. Weine sind so vielfältig und differenziert wie die Menschen, die sie in allen Winkeln dieser Welt unter verschiedensten Bedingungen zum Beispiel bezüglich Klima, Bodenbeschaffenheit und Kellerei-Methoden kultivieren. All dies hilft am Ende auch bei der Auswahl und bei dem Erwerb der persönlichen Wein-Lieblinge, sei es auf dem Weingut, im Fachhandel oder auch im Supermarkt.

Abwechslungsreiches Programm
Die Mitglieder treffen sich zu den Clubabenden meist im Bürgerhaus im Limburger Stadtteil Staffel. Rund 25 – 30 Weinkenner und solche, die es noch werden wollen, sind regelmäßig bei den Verkostungen dabei. Sie alle stammen aus der ganzen Region rund um Limburg und Diez.

Die Auswahl der Themen, die jeweils in einem Jahresprogramm für die Wein-Proben festgelegt werden, ist vielfältig. Vergleiche einer Rebsorte von verschiedenen Winzern einer Region oder überregional, Rebsorten im internationalen Vergleich (Deutsche Spätburgunder und französische Pino Noirs, Sauvignon Blanc aus fünf Kontinenten), Weinbau-Regionen Deutschlands, Große Gewächse, Wein-Anbau und Ausbau, Wein-Fehler und die ideale Kombination von Küche und Keller sind nur einige Beispiele.

Im Oktober vergangenen Jahres begaben sich die Weinbrüder und -schwestern auf eine Weltreise. Jules Verne’s Phileas Fogg brauchte 80 Tage, um die Welt zu umrunden. Der Kellermeister der Weinbruderschaft schaffte das in knapp drei Stunden. Wobei man ihm zugutehalten muss, dass ihn der Vorstand der Bruderschaft auf zehn „Etappen“ begrenzt hatte.

Während der Fußballeuropameisterschaft trafen sich die Weinbrüder und -schwestern zu einem ganz speziellen Wettkampf. Deutsche „Rote“ traten gegen französische „Rote“ an.“ Wer das Treffen gewonnen hat ist nicht zu erfahren. Genossen, so Zeugen des Abends, haben es aber alle, die an diesem Abend dabei waren.

Frankreich gehört zu den größten Weinerzeugern weltweit. 2016 wurden auf der Welt insgesamt 260 Millionen Hektoliter produziert. In Italien waren es rund 50 Millionen Hektoliter, in Frankreich etwa 42 Millionen und in Spanien rund 38 Millionen. Deutschland brachte es in diesem Jahr auf rund neun Millionen Hektoliter.

Gäste und neue Mitglieder sind herzlich willkommen
Man könnte den Mitgliedern der Weinbruderschaft noch stundenlang zuhören. Über die verschiedenen Qualitätsstufen des Weins, die richtige Lagerung und natürlich den unendlich verschiedenen Geschmack der einzelnen Rebsorten und Ausbauvarianten.

Wer Mitglied in der Weinbruderschaft werden, oder nur an einer Verkostung teilnehmen möchte, findet alle notwendigen Informationen auf der Internetseite www.weinbruderschaft-nassauerland.de .

Eine Voraussetzung müsse ein neues Mitglied aber auf alle Fälle erfüllen. „Er oder Sie muss Spaß am Wein haben“.

Text: Klaus-Peter Kreß/ Fotos: Christof Henninger