Rennfahrer, TV-Tester, Kult


Ein Original aus der Eifel - CHRISTIAN MENZEL der vielseitige Volksrennfahrer zwischen Porsche und FastLap

Der 22. Juni 1971 war ein regnerischer, kalter und auf den ersten Blick bedeutungsloser Tag im Rheinland. Der Franzose Daniel Gérard stand mit seinem Welthit „Butterfly“ unangefochten an der Spitze der deutschen Musikcharts und Willi Brandt regierte seit Jahren in der damaligen Hauptstadt Bonn. Der damals neunjährige Andreas Frege, besser bekannt als Campino von den Toten Hosen, feierte in Mettmann seinen Geburtstag. Außer der Tatsache, dass im fernen Oslo an jenem Tag die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 7:1 gegen Norwegen gewinnen sollte, lässt sich über diesen unscheinbaren Sommertag wenig herausfinden. Dabei sollte an jenem Tag im rechtsrheinischen St.-Martinus-Krankenhaus eine echte Legende im Sternzeichen Krebs geboren werden: Kult-Motorsportler Christian Menzel.
Reporter Roland Schäfges kennt und begleitet den am Nürburgring lebenden Rennfahrer, TV-Moderator, Automobil- wie Motorsport-Experten, Rennkommissar, Fahrsicherheits- und Rennfahrertrainer, der zugleich auch Vater von Nachwuchstalent und NITRO-Kommentator Nico ist, seit rund 15 Jahren. Er durfte dem sympathischen, lebensfrohen Volksrennfahrer mit Wohnsitz in Kelberg in diesem Jahr bei seiner Arbeit für den Porsche Carrera-Cup und bei seiner „Auto Motor und Sport“ TV-Show „FastLap“ mehrfach über die Schultern schauen. Christian Menzel ist ein authentischer Automobilfan der alten Schule. Er hat förmlich Benzin im Blut. Und das nicht erst seit er 1984 in den Kartsport einstieg ist oder 1993 Vize-Meister der deutschen Formel Renault wurde.

Hart, aber fair…
Dabei ist er, der 173 cm große blond gelockte Typ mit der selbstbewussten, stets ehrlichen und knallharten Klappe, immer bescheiden wie volksnah geblieben. Er selbst nimmt sich und sein Tun, bei aller Beliebtheit und Bekanntheit in der Szene oder bei seinen vielseitigen, weltweiten Fans, gar nicht wichtig. Obwohl er Opel-Werksfahrer unter anderem in der DTM sowie STWCup-Fahrer für BMW war. Er sieht immer sich UND sein Team, mit welchem er an dem jeweiligen Projekt arbeiten und etwas erreichen darf, immer als Ganzes. Eigenschaften, die er auch seinem Sohn mitgegeben hat, der ebenfalls, trotz des bekannten Vaters, nie die Bodenhaftung verloren hat. Dinge, die Christian Menzel stören, spricht er unumwunden und knallhart an! Auch wenn er sich persönlich nicht allzu wichtig nimmt, ist seit Jahrzehnten sein Standing und seine Meinung zum Beispiel in Rennteams und den Medien sehr gefragt, aber in vielen Automobilkonzernen durchaus auch gefürchtet. Hat er dort bereits, nicht nur wegen seiner ehrlichen Art und seinen punktgenauen Analysen bei diversen TV-Auftritten, schon für einige Aufregung, aber auch schon für Veränderung gesorgt.
Auch engagierte er sich einst mit der unvergessenen Sabine Schmitz um die Belange und die Rettung des geliebten Nürburgrings. Seinem vor Jahrzehnten gewählten Lebensmittelpunkt, wo der professionelle Rennfahrer sich auch sehr gerne mal aufs Rad setzt, um in seiner Wahlheimat die wunderschöne Natur der „Grünen Hölle“ zu genießen. Ein wichtiger Ausgleich zu seinem stressigen Alltag, wie er selbst sagt. Sein bodenständiger Charakter zeigt sich auch im Helmdesign, welches seit 1987 nicht nur immer von Carsten Meurer angefertigt wird, sondern seit jener Zeit auch relativ gleich von der Gestaltung blieb und in seinen Grundzügen an den markanten Helm des dreimaligen Formel- 1-Weltmeisters Ayrton Senna erinnert. Ein leuchtendes Gelb im Grundton mit dunkelblauen Streifen.

„Anwalt & Ermahner“ im Markenpokal-Kindergarten
Vor rund zehn Jahren hat der Porsche-Markenpokal erfahrene Berufsrennfahrer, die knifflige, aber durchaus „sehr spannende Aufgabe“ erhalten, als „Driver-Advisor“, also als sogenannter „Rennfahrer-Experte“, dem jeweiligen Rennleiter und den Rennkommissaren fundiert in ihren Entscheidungen während und nach den Porsche-Rennen, gerade bei kniffligen Entscheidungen, als Fachberater zur Seite zu stehen, um diese aus Fahrersicht zu unterstützen und zu beraten. Über dieses komplexe Themengebiet sprachen wir im Sommer im Rahmen des ADAC GT Masters am Nürburgring. Hier nahm sich Menzel bei einer Apfelschorle, seinem Lieblingsgetränk, und einem Kaffee ganz entspannt in der schicken Hospitality des Stuttgarter Premium-Automobilherstellers fast eine Stunde die Zeit, um über seine vielseitigen Aufgaben ausführlich zu referieren. „Einer der Gründe, wieso ich heute diese Aufgabe machen darf, liegt wahrscheinlich in der Historie gegründet. Ich bin selbst über viele Jahre in diversen Porsche-Cups gefahren. Dadurch ergab sich eine ganz natürliche Verbindung zu den Organisatoren der Rennserie. Das war dann sicher auch eines der Motive, mich für diese zentrale Aufgabe zu nehmen, da ich einfach mit der Materie sehr vertraut bin“, sinniert der Porsche-Supercup-Vizemeister aus der Saison 2004. Zur grundlegenden Aufgabe, die er im deutschen Carrera- Cup genauso wahrnimmt, wie im Porsche Supercup, erklärt Menzel zunächst: „Ich erkläre dem Rennleiter oder den Rennkommissaren, wohlgemerkt als Berater in dauerhafter Einbindung ohne eigenes Stimmrecht, wie ich eine Aktion als Fahrer bewerte. Manchmal bin ich dabei sogar der Anwalt der Fahrer, um gewisse Verhaltensweisen im Sinne des Betroffenen zu erklären. Aber manchmal bin ich auch der Staatsanwalt oder der Ermittler, der gemeinsam mit dem Rennleiter in gewisse Situationen eingreift, um entsprechende Aktionen zu sanktionieren! Wir haben heute so viele Daten und Videoeinstellungen. Das analysiere und bewerte ich auch mit den Stewards, um zu (er)klären, was in der jeweiligen Situation genau passiert ist. Wir haben es daher bei einem Starterfeld mit bis zu 32 Piloten wirklich nicht leicht. Ich liebe Racing. Sogar hartes Racing. Aber alles nur auf fairem und respektvollem Niveau! Ich dulde jedoch keine (versteckten) Fouls! Ehrlich gesagt, bekomme ich aufgrund der Komplexität und der Intensität der Aufgabe, von den Rennen selbst oft gar nicht so viel mit. Oftmals muss ich mir die Rennen im Anschluss nochmal in Ruhe anschauen.“
Dabei kann es durchaus sein, dass dem heute 51-Jährigen auch noch Dinge im Nachklang auffallen. Dann kann es sein, dass es unter Umständen erst beim nächsten Rennen „zu einem Vieraugengespräch unter Männern auf Augenhöhe“ kommen kann, wie es Menzel mit ernster Stimme erklärt. Jedoch sei es auch so, dass manchem Rennfahrer-Kollegen, gerade den Erfahrenen, erstmal klar gemacht werden muss, dass „man hier jetzt nicht beim gemütlichen Feierabendbier unter Kumpels sitzt“, auch wenn der gut vernetzte Eifelaner mit letztlich allen in der Szene auf Du und Du ist. „Das ist manchmal ein wirklicher Vorteil, weil man näher dran ist und von den Piloten, die man alle gut kennt, entsprechend auch ernstgenommen wird. Manchmal aber auch ein vermeintlicher Nachteil, weil manche Herren dann denken, sie könnten mit mir reden wie in der Kneipe. Zumal die Fahrer oft gute Geschichten oder Ausreden erzählen können, wieso aus ihrer
Sicht die jeweilige Sache passiert ist. Aber diese ganzen Dinge, Sprüche und Ausreden kenne ich auch. Wahrscheinlich habe ich manche gar erfunden“, erklärt ein gut gelaunter Menzel und kann dabei sein markantes spitzbübisches Grinsen nicht verstecken. Auch wenn er zeitgleich betont, wirklich „sauer zu werden, wenn mir jemand offensichtlichen ‘Bullshit’ erklärt“. Die in dem deutschen Markenpokal gültigen Regeln und Maßstäbe, die als Grundlage für Entscheidungen angewendet werden, wurden in manchem Punkten vor der jeweiligen Saison von Menzel sogar mit angeregt oder aufgrund einer Einschätzung vom 2005er Champion angepasst. Dem es eine Herzenssache ist, den geliebten Carrera-Cup fortwährend mit seiner Expertise weiterzuentwickeln. Auch mit kreativen Ideen. So würde er es gerne sehen, wenn Fahrer, je nach Vergehen, auch mal soziale Dienste ableisten müssten. Gerade wenn Gelbe Flaggen missachtet werden. Dann würde der Motorsportexperte die Piloten gerne auch mal zu den Streckenposten rund um die Strecke schicken, um den Respekt gegenüber den Sportwarten zu verbessern. Einer, der sehr gerne auf die fachkundige Meinung von Christian Menzel setzt, ist der erst 28-jährige Nürnberger Luca Stegner, der seit der Saison 2022 dauerhafter Renndirektor der deutschen Porsche-Serie ist. Der von der DTM und GT Masters kommende Funktionär sagt abschließend zu Menzel: „Es ist sehr gut, jemanden wie ihn im Team zu wissen. Immer wenn ich eine Frage zu sportlichen Themen habe, mindestens einmal pro Rennen, weiß ich, dass ich eine exzellente Antwort eines sehr erfahrenen Rennfahrers bekomme. Ich war nie Rennfahrer und bin sehr dankbar, auf seine Expertise zurückgreifen zu können. Dabei gibt er mir nur einen Rat aus seiner Erfahrung auf der Strecke als Rennfahrer und akzeptiert mich als alleinigen Entscheidungsträger. Mit Christian zu arbeiten, ist eine Ehre und macht mir viel Spaß! Zumal er total professionell in der Arbeit und total locker in den Freizeiten ist.“

Drehtage auf dem Mendiger Flugfeld
Eine ganz andere Welt als in der Rennleitung, auch wenn hier öfters auch Porsches zum Einsatz kommen, sind die aufwendigen Dreharbeiten zu seiner eigenen TV-Show „FastLap“. Ein Format, das seit Jahren auf dem PayTV-Sender „auto motor und sport channel“ zu sehen ist. Hier darf der erfahrene Fahrsicherheitstrainer und langjährige Coach der Deutschen Post SpeedAcademy seit 2012 jährlich diverse Straßen- und Sportfahrzeuge aller Hersteller auf Herz und Nieren prüfen, um diese letztlich in eine vergleichende „FastLap“ gegen die Stoppuhr zu schicken. 1 Drehort von Anfang an ist hier der ehemalige Heeresflugplatz von Mendig. Auf der heutigen „Test Event Area“ (TEA) existiert, unter Einbeziehung der 1650m langen und 36m breiten Start-/Landebahn sowie den diversen Servicestraßen, ein 4,24 Kilometer langer Rundkurs, der seit jeher als Referenz für alle Autos in der Fernsehsendung gilt. Die Produktionen finden zwei bis vier Mal pro Jahr, an jeweils
zwei zusammenhängenden Tagen, in der Eifel statt. Dabei werden pro Produktionsblock zwischen fünf und sechs Autos ausführlich gefahren und besprochen. In der 30 Minuten langen Folge wird dann jeweils ein Fahrzeug ausführlich vorgestellt. Was für Menzel, bei aller Leidenschaft für diese Sendung, eine echt anstrengende Arbeit ist. Da er letztlich den ganzen Tag in den Autos verbringt, diese kennenlernen und darüber sogar noch sinnvolle Dinge erzählen muss.
Eines bleibt letztlich festzuhalten: Christian Menzel, gefeierter Sieger des 24h Rennens am Nürburgring oder von Daytona sowie mehrfacher Carrera-Cup Gesamtgewinner, ob in Asien oder Deutschland, wird zugehört! Nach 40 Jahren im Motorsport weiß er ganz genau, wovon er spricht. Er hat vieles erlebt und vieles gesehen. Er hat auch viele kommen und wieder gehen gesehen. Alles Dinge, die ihm heute helfen, seine vielseitigen Jobs neben dem Renncockpit, in das er ab und an auch noch steigt, bestmöglich zu machen.

Text und Fotos: Roland Schäfges | www.myfoto24.eu