Tom Kalender aus Hamm an der Sieg hat vor dieser Saison einen ganz wichtigen Schritt gemacht: Er gehört seit dieser Saison dem „Motorsport Team Germany“ an. Das ist der deutsche Bundeskader im Motorsport und hat ein Kadersystem, welches genauso aufgebaut ist, wie bei anderen Sportarten im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Neben Kalender gehören insgesamt 32 weitere Talente aus elf Motorsportkategorien dem „Motorsport Team Germany“ an, welche durch die ADAC Stiftung Sport und dem Deutschen Motorsport Bund (DMSB) gefördert werden.
Neben einer finanziellen Unterstützung durch die ADAC Stiftung Sport, erfahren die talentierten Förderkandidaten, neben besonderen Teambuilding-Aktionen, auch ein umfangreiches Angebot an unterschiedlichen Coachings in den Bereichen Fitness, Mental- und Medientraining, Sponsoring-Schulungen oder Fahrzeugtechnik. Mit dieser Art von ganzheitlichem Förderkonzept, welches bereits vor 20 Jahren von der Speed Academy rund um die Macher von Project1 erfolgreich eingeführt wurde, konnten bereits Piloten wie Sebastian Vettel, Nico Hülkenberg oder Timo Glock erfolgreich in die Formel 1 geführt werden. Erfunden hat diese Form der Junior-Teams bereits in den 70er Jahren Jochen Neerpasch. Der legendäre Ford-, BMW- und Mercedes-Rennleiter aus den 70er bis 90er Jahren gründete bei all seinen Stationen „Juniorteams“. Sein berühmtester „Schüler“ ist sicherlich Michael Schumacher.
Mit den vielfältigen Fördermaßnahmen soll auch Tom Kalender seinen Weg gehen. Das Ziel des langjährigen Kartfahrers aus dem Westerwald ist daher natürlich die Formel 1. Weswegen der bald 16-Jährige auch dem ADAC Formel Junior Team angehört, welches in der Saison 2023 in der französischen Version der Nachwuchs-Rennserie Formel 4 fuhr. Die Veranstaltungen der sogenannten „FFSA F4 Championship“ fanden auf den französischen Rennstrecken von Lédenon, Le Castellet, Pau-Ville, Magny-Cours und Nogaro sowie im belgischen Spa-Francorchamps und im italienischen Misano statt.
Das letzte Rennwochenende der Saison fand auf der Formel-1-Rennstrecke von Le Castellet statt. Hier kam Tom Kalender im ersten Lauf von Platz 22 startend am Ende auf Position 17 ins Ziel. Im zweiten Lauf ging es vom 21. Startplatz bis auf den zwölften Platz nach vorne. Das letzte Saisonrennen in Frankreich endete nach großartigen Überholmanövern auf Platz 15. Womit er in der Französischen Meisterschaft mit 23 Punkten auf Platz 16 landete.
Nach seiner ersten Saison im Formel Sport, gönnte er sich noch einen Gaststart in der italienischen Formel 4 in Vallelunga. In der stärksten Formel 4-Serie der Welt duellierte es sich auf der Rennstrecke nahe Rom mit über 30 Piloten aus der ganzen Welt. Bei diesem Event startete er für das in Niederzissen stationierte Berliner Team PHM Racing. An diesem sehr lehrreichen Wochenende, reichte es nach Lauf 1 nur zu einem 27. Platz. Nachdem der zweite Lauf mit einem Ausfall endete, endete das dritte Rennen für den am 27. März 2008 geborenen Westerwälder auf Platz 23.
Im Interview erklärt der Youngster, wie er die Herausforderung zwischen Schule und Motorsport meistert. Zudem erläutert der Nachwuchspilot vom ADAC Mittelrhein, wie er seine Freizeit gestaltet und was seine Faszination zum Rennsport entfachte.
Du warst in dieser Saison zum ersten Mal mit dem ADAC Formel Junior Team in der Formel 4 in Frankreich unterwegs. Wie lief es?
Der Umstieg war sicher nicht einfach. Das Thema Aerodynamik spielte im Kartsport nicht so eine große Rolle wie im Formel-Fahrzeug. Beim ersten Test musste ich mich daher erst einmal zurechtfinden, indem ich viele Kilometer zurücklegte. Mittlerweile fühle ich mich im Formel-4-Boliden total wohl. In der laufenden Saison konnte ich auch schon einige Punkteerfolge feiern. Zudem gelang mir auf der belgischen Formel-1-Rennstrecke in Spa-Francorchamps der vierte Platz im Qualifying. Bislang bin ich zufrieden und blicke erwartungsvoll nach vorne.
Du bist 15 Jahre alt und gehst noch zur Schule. Inwiefern lassen sich Motorsport und das tägliche Lernen vereinbaren?
Durch die Rennen bin ich häufig unterwegs und verpasse viel vom Unterricht. Glücklicherweise unterstützt mich das Bodelschwingh-Gymnasium in Herchen und legt mir bei meiner Motorsport-Karriere keine Steine in den Weg. An der Rennstrecke schlage ich dann auch gelegentlich meine Schulbücher auf und versuche zwischen meinen Einsätzen zu lernen. Mein Vater achtet darauf, dass die Schule nicht zu kurz kommt.
Was ist denn dein Lieblingsfach in der Schule?
Mir gefallen Sport und Englisch sehr gut. Beides sind Fächer, die mir auch an der Rennstrecke weiterhelfen. Englisch ist die Sprache, die überwiegend in der Motorsportwelt gesprochen wird. Die Events der französischen Formel-4-Meisterschaft finden zudem alle im Ausland statt. Da ist es hilfreich, dass ich mich verständigen kann. Gelegentlich kann ich die Erfahrung auch in den Unterricht einfließen lassen.
Wie verbringst du deine Freizeit?
Zum Ausgleich spiele ich gerne Tennis und fahre Fahrrad. Außerdem nutze ich die Sportbegleitung der ADAC Stiftung Sport, die mir einen speziellen Trainingsplan zur Verfügung stellt. Dazu zählen zum Beispiel Kraft- und Ausdauer-Übungen. Am Rennsimulator verbringe ich ebenfalls viel Zeit, um mich auf die nächsten Events in der französischen Formel 4 vorzubereiten.
Wie entstand bei dir die Faszination für den Motorsport?
Mit vier Jahren wollte ich mit meinem Vater ein Pocket-Bike kaufen. Allerdings entschieden wir uns dann doch für ein Kart, das wir bei einem Händler entdeckten. Anfangs bin ich aus Spaß gefahren und nach einiger Zeit nahm ich auch an verschiedenen Kart-Veranstaltungen teil.
Welche Ziele verfolgst du?
Mein Ziel ist es, Profi-Rennfahrer zu werden. Die meisten Piloten in meinem Alter wollen in die Formel 1. Für mich ist es aber auch reizvoll, mich als professioneller Fahrer im GT3-Bereich oder den Le-Mans-Prototypen zu etablieren. Der Formelsport ist die perfekte Plattform, um im Motorsport Erfahrung zu sammeln. Wir haben in unserem Einheitsfahrzeug, dem Mygale-F4, keine Fahrhilfen. Es ist zwar anspruchsvoll beispielsweise ohne ABS zu fahren, doch mir hilft das bei meiner Entwicklung sehr.
Hast du auch eine Lieblingsstrecke?
Die belgische Formel-1-Rennstrecke von Spa-Francorchamps ist mein absoluter Favorit. Besonders die Passage Eau Rouge und Raidillon ist unglaublich. Die Kompression und die G-Kräfte, die dort wirken, machen es jedes Mal zu einem besonderen Erlebnis.
Wie findet es eigentlich deine Familie, dass du mit Motorsport ein eher außergewöhnliches Hobby betreibst?
Mein Vater ist mein größter Supporter. Darüber bin ich sehr dankbar. Auch der Rest meiner Familie hält mir den Rücken frei.
Text: Roland Schäfges – www.myfoto24.eu
Fotos: KSP Reportages für www.myfoto24.eu