Die UEFA-Fußball-Europameisterschaft in Deutschland kam zwar nicht selbst mit Spielen nach Rheinland-Pfalz, aber zumindest das „Fußballfieber“ in Form einer liebevoll zusammengestellten Sonderausstellung. Die Ausstellung „Fußballfieber – Fußballgeschichte(n) aus Rheinland-Pfalz“ ist noch bis zum 3. November 2024 im Kulturzentrum der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz zu erleben. Diese großartig zur Schau gestellte Sammlung vieler einzigartiger Exponate, lädt zu einer spannenden und interaktiven Reise durch die Fußballgeschichte jenes Bundeslandes ein, aus dem nicht nur der unvergessliche Fritz Walter stammt, sondern auch viele weitere große und zu Legenden gewordenen Persönlichkeiten des Fußballs.
Auf Initiative des fachkundigen 35-jährigen, aus Koblenz stammenden Kurators, Simon Sporenberg, bietet die Ausstellung eine umfassende Mischung aus historischen Exponaten, interaktiven Stationen und persönlichen Geschichten, die die Besucher in die Welt des rheinland-pfälzischen Fußballs eintauchen lassen. Ursprünglich von Ideengeber Roger Lewentz, dem langjährigen Sport- und Innenminister des Landes, als reine Ausstellung zum Thema „70 Jahre ‚Wunder von Bern‘“ angedacht, entwickelte sich das Konzept, dank Sporenbergs Engagement, zu einer weitreichenderen und vielseitigeren Darstellung der Fußballgeschichte in Rheinland-Pfalz.
Interaktive Zeitreise durch den Fußball
Die Sonderausstellung ist von den Machern so gestaltet worden, dass sie Besucher aller Altersgruppen, aber auch weniger sport- und fußballinteressierte Personen, gleichermaßen anspricht. Ob Groß oder Klein, Jung oder Alt, Fan oder Fußball-Laie – alle sind eingeladen, die verschiedenen Facetten des Fußballspiels spielerisch und mit zahlreichen Ausstellungsstücken zu erkunden und an vielen medialen Stationen zu erlernen. So können die Besucher beispielsweise im Innen- und Außenbereich Tischkicker oder Tipp-Kick spielen, große Trommeln schlagen, um Teil einer großen Fan-Choreografie zu werden, oder die Stadien des 1. FSV Mainz 05 und des 1. FC Kaiserslautern als jeweils 40-teiliges Modell nachbauen. Auch eine klassische Torwand lädt dazu ein, die Rekorde aus dem ZDF-Sportstudio zu überbieten. „Hier kann ich etwas anfassen, etwas machen, was man immer so schön als interaktiv beschreibt. Das gefällt mir sehr, sehr gut“, freute sich Fußball-Olympiasiegerin Josephine Henning bei der Pressekonferenz zur Eröffnung.
Rheinland-pfälzische Fußballgeschichte(n)
Zahlreiche Originalgegenstände aus der 75-jährigen Fußballgeschichte in Rheinland-Pfalz seit der Gründung der beiden Dachverbände „Fußballverband Rheinland“ und „Südwestdeutscher Fußballverband“ bereichern die Ausstellung. Sie zeigt nicht nur die sportlichen Erfolge, wie die vier Meisterschaften des 1. FC Kaiserslautern, sondern auch die emotionalen Momente und persönlichen Geschichten, die den Fußball in dieser Region geprägt haben.
Die Ausstellung gliedert sich in verschiedene Themenbereiche, die die unterschiedlichen Aspekte des Fußballs in Rheinland-Pfalz beleuchten. Dazu gehören unter anderem die Geschichte(n) der bedeutsamsten Fußballvereine des Landes, die Entwicklung des Frauenfußballs, die wichtige Rolle der vielen Amateurvereine und die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs. Begrüßt werden die Besucher von einer imposanten, dreiminütigen Videoreise durch die Fußball-Geschichte.
Bedeutende Exponate & persönliche Geschichte
Zu den Highlights der Ausstellung zählen Exponate wie die originalen Vereinsrepliken der Meisterschale von 1998 und des DFB-Pokals von 1996 des 1. FC Kaiserslautern. Auch der originale, in Bronze gegossene Adidas-Fußballschuh des 1954er WM-Helden Fritz Walter, den er bei seinem letzten Spiel für die deutsche Nationalmannschaft 1958 während der WM in Schweden trug, kann bestaunt werden. Ein besonders emotionaler Moment ist auch die Erinnerung an das EM-Halbfinale 1996 in England. Der insgesamt dreimalige Europameister Stefan Kuntz, dessen 96er EM-Medaille, sein originales Finaltrikot sowie seine „Kicker“-Torjägerkanone aus dem Jahr 1994 ebenfalls Teil der Ausstellung sind, erinnert sich: „Von dem Moment, wo die Zuschauer unsere Köpfe gesehen haben, hat für mich eine Aufwärmzeit von 40 Minuten Gänsehaut angefangen. Die nicht weggegangen ist. Ich habe mich auch selber ein paar Mal beim Dehnen erwischt, wie ich mehr so in der Gegend rumgeguckt habe. Es war so eine unglaubliche Stimmung.“ Solche persönlichen Erinnerungen verleihen der Ausstellung eine besondere Tiefe und Nähe.
Die Ausstellung zeigt auch, wie Fußball Generationen verbindet. Der dreimalige Weltschiedsrichter und „Schiedsrichter des Jahrzehnts“ Dr. Markus Merk aus Kaiserslautern, der zahlreiche Fußbälle aus wichtigen Finalspielen sowie aus Europa- und Weltmeisterschaftsspielen zur Verfügung gestellt hat, erinnerte sich bei der Eröffnung an seinen Vater: „Als 15-Jähriger habe ich meinem Papa versprochen, dass ich ihn einladen würde, wenn ich selbst einmal ein Landesmeister-Endspiel pfeife. Ich sehe heute noch das Strahlen in seinen Augen, weil das so utopisch war.“ Merk leitete 2003 das Champions-League-Finale in Manchester, und sein Vater war im Stadion dabei.
Besondere Interaktivität
Dr. Markus Merk spielte auch bei der Gestaltung der Ausstellung eine bedeutende Rolle. „Uns war von Anfang an klar, dass wir das Schiedsrichterwesen ebenfalls darstellen wollten. Daher war es uns ein wichtiges Anliegen, dafür keinen Geringeren als Dr. Merk zu gewinnen. Was uns zum Glück gelungen ist“, verrät Sporenberg nicht ohne Stolz. Ein Highlight ist eine interaktive Videodarstellung, die es den Besuchern ermöglicht, in die Rolle eines Schiedsrichters zu schlüpfen, um kritische Schiedsrichterentscheidungen am Touchscreen selbst zu bewerten.
Die mediale Visualisierung der Ausstellung ist sowieso ein zentrales Stilmittel. Es gibt zahlreiche Interviews und Audioausschnitte zu entdecken. Interviews mit dem in Andernach geborenen, ehemaligen TuS Mayen-Spieler Stefan Bell, der als Bundesliga-Spieler beim FSV Mainz 05 zur Ikone wurde, oder der in Bonn geborenen, in Koblenz lebenden Celia Sasic, die heute DFB-Vizepräsidentin ist und viele Jahre für den SC07 Bad Neuenahr spielte, wurden extra für die Ausstellung von der Koblenzer Journalistin Katrin Wolf und Video-Creator Stephan Eismann produziert. Der VfL Wolfsburg steuerte ein speziell für die Ausstellung produziertes Video mit Jule Brand bei, und auch der SWR lieferte viele Videoschnipsel für die Ausstellung.
Fußball als Spiegel der Gesellschaft
„Fußball bedeutet mehr als nur Sport. Er ist ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen – auf dem Platz und außerhalb. Hier spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen wider“, sagte Minister Alexander Schweitzer bei der Eröffnung. Diese Botschaft zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ausstellung. Sie beleuchtet nicht nur die sportlichen Aspekte, sondern auch die gesellschaftlichen und historischen Hintergründe des Fußballs in Rheinland-Pfalz.
Ein besonderes Augenmerk wird daher auch auf den Frauenfußball gelegt. Von den ersten Damenfußballspielen in den 1960er Jahren bis hin zu den heutigen Erfolgen der SG99 Andernach in der zweiten Fußballbundesliga zeigt die Ausstellung die Entwicklung des Frauenfußballs und die bedeutende Rolle, die Rheinland-Pfalz dabei gespielt hat.
Mindestens genauso wichtig sind die vielen ehrenamtlichen Helfer in den Amateurvereinen. „Die kriegen normalerweise keine so große Wertschätzung“, betonte Kuntz. Die Ausstellung würdigt daher auch die unzähligen freiwilligen Helfer, die im Hintergrund arbeiten und ohne die der Fußball nicht möglich wäre. „Vielleicht ist einer unter den Besuchern, der sagt: ‚Boa, als der FCK damals Meister geworden ist, da war ich als Ordner oder Sanitäter dabei‘“. Dies, so der ehemalige TuS-Koblenz-Vorstand Kuntz, sind doch „die schönen Geschichten, die man manchmal ein kleines bisschen vergisst.“
Mehr als 2000 Amateurvereine in Rheinland-Pfalz prägen das Land und verbinden die Menschen. Vereine wie die TuS Koblenz, die zwischen 2005/06 und 2008/09 vier Saisons in der zweiten Fußballbundesliga spielte, der Rheinland-Pokal-Rekordsieger Eintracht Trier, oder auch der Heimatverein des Deutschen Meisters und UEFA-Cup-Siegers Winfried Schäfer, TuS Mayen, welcher 2004 im DFB-Pokal auf den VfB Stuttgart traf, werden allesamt genauso in der Ausstellung dargestellt, wie auch jener als „Tor des Jahres“ ausgezeichnete Treffer, den TuS-Koblenz-Urgestein Michael Stahl der Alten Dame Hertha im DFB-Pokal 2010 aus 61 Metern einschenkte. Ein historisch besonderes Unikat ist das nur in drei Spielen getragene Trikot der Wormatia Worms aus der Regionalligasaison 1967/68. Es war das deutschlandweit erste mit Sponsorenwerbung auf der Brust, lange bevor Kräuterlikör-König Günter Mast das Hirsch-Logo auf die Brust seiner Eintracht aus Braunschweig setzte und damit das Werbeverbot zu Fall brachte.
In lebensgroßen Bildern werden zudem auch elf besondere Fußballpersönlichkeiten des Landes in einer Art „Ruhmeshalle“ gewürdigt. Darunter 2014er Weltmeister Roman Weidenfeller, die Weltenbummler-Trainer-Legende Rudi Gutendorf und die heutige UEFA-Funktionärin und ehemalige Nationalspielerin Nadine Keßler, die sehr erfolgreich das Spielertrikot gegen den Hosenanzug getauscht hat.
Nach ihrem Abschluss in Koblenz, soll die Ausstellung in den kommenden Jahren auch in Mainz und Kaiserslautern zu sehen sein. Die interessante Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem 1. FSV Mainz 05, dem 1. FC Kaiserslautern, der Fritz-Walter-Stiftung, dem Deutschen Fußballmuseum, der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, dem SWR, dem Fußballverband Rheinland, dem Südwestdeutschen Fußballverband und vielen weiteren Partnern. Weswegen der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling nicht ohne Grund die besondere Verbindung von Sport und Kultur betonte: „Sport und Museen sind eigentlich zwei ziemlich getrennte Welten. Hier konnten wir sie verbinden – auch emotional.“
WEITERE INFOS
www.tor-zum-welterbe.de
Text: Roland Schäfges
Fotos: stock.adobe.com, www.myfoto24.eu