Dokumentationspflichten ARBEITSZEIT


STEUERTIPP: Arbeitgeber sind bisher nach deutschem Arbeitsrecht nicht verpflichtet, die von einem Arbeitnehmer täglich geleistete Arbeitszeit zu erfassen und zu dokumentieren. Lediglich in Ausnahmefällen sieht das deutsche Gesetz eine solche Verpflichtung vor. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs müssen sich Arbeitgeber aber nun darauf einstellen, dass sie künftig alle von ihren Mitarbeitern geleisteten Arbeitsstunden genau erfassen und dokumentieren müssen. Wie konkret der deutsche Gesetzgeber hier vorgehen wird, bleibt abzuwarten. Fest steht aber, dass ein entsprechendes Gesetz kommen wird.

Aktuelle Rechtslage
In deutschen Gesetzen finden sich fragmentarisch bereits aktuell Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung. Bei geringfügig beschäftigten Mitarbeitern muss die Arbeitszeit genauso aufgezeichnet werden wie bei Mitarbeitern, die bei einem Arbeitgeber tätig sind, der zu einem der in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereiche oder Wirtschaftszweigen gehört (z.B. im Bau- oder im Wach- und Sicherheitsgewerbe). Die Erfassungspflicht entfällt nur bei geringfügig beschäftigen Ehe- gatten/eingetragenen Lebenspartnern bzw. bei nahen Verwandten der vertretungsberechtigten Personen des Arbeitgebers oder, in Fällen des § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsbrutto des Mitarbeiters 2.958,00 € brutto übersteigt bzw. wenn der Arbeitgeber in den letzten 12 Monaten nachweislich mehr als 2.000,00 € brutto gezahlt hat. Ebenso muss die Arbeitszeit eines Kraftfahrers umfassend dokumentiert werden. Eine Dokumentation muss auch bei Anwendung entsprechender tariflicher Vorgaben oder in bestimmten Sonderkonstellationen mit Bezug zum Arbeitnehmerüberlassungs- bzw. Arbeitnehmerentsendegesetz erfolgen. Besteht ein Betriebsrat, wird faktisch über dessen Auskunftsanspruch zur Dokumentation gezwungen.

Für alle übrigen Arbeitsverhältnisse müssen derzeit nur die Stunden aufgezeichnet werden, die an Werktagen über 8 Stunden hinaus bzw. an Sonn- und Feiertagen geleistet werden. Stellt sich bei einer Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde heraus, dass entgegen gesetzlicher Vorgaben keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vorgenommen wurden, drohen Bußgelder in horrender Höhe.

EuGH-Entscheidung und ihre Folgen
Diesen „Flickenteppich der Arbeitszeiterfassung“ wird es zukünftig in Deutschland nicht mehr geben. Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 14.5.2019 – C-55/18) hat entschieden, dass sämtliche Arbeitszeit aller Arbeitnehmer im arbeitszeitrechtlichen, nicht im vergütungsrechtlichen Sinn (zwar oft, aber nicht immer identisch) aufgezeichnet werden muss. Dies muss durch ein objektives, verlässliches und zugängliches System erfolgen. Was das genau heißt, ist nicht ganz klar. Klar ist nur, dass abgesehen von Kleinbetrieben, eine subjektive Erfassung mittels „Zettel und Stift“ nicht ausreicht und die mit der Einführung des Erfassungssystem verbundenen Kosten kein Argument gegen die Einführung sind. Im Übrigen haben die Mitgliedsstaaten einen großen Umsetzungsspielraum. Aus unserer Sicht ist nicht zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber den Arbeitgebern hinsichtlich der konkreten Umsetzung spezielle Vorgaben macht. Daher ist zu erwarten, dass es letztlich am Arbeitgeber selbst ist, ein für ihren Betrieb mit ggfs. unterschiedlichen Mitarbeitergruppen (z.B. Mitarbeiter im Homeoffice bzw. Mitarbeiter mit Vertrauensarbeitszeit oder Außendienstler) passendes System zu finden.

Solange bis die Gerichtsentscheidung in nationales Recht umgesetzt wird, haben Arbeitgeber noch Zeit, sich vorzubereiten, also ein entsprechendes Zeiterfassungssystem im Betrieb zu implementieren oder auch verschiedene Systeme zu testen.

PRAKTISCHE UMSETZUNG IM BETRIEB

Die Umsetzung der Dokumentationspflicht muss auf das Unternehmen zugeschnitten sein. So hängt es von der Unternehmensgröße und der Vielfalt der Tätigkeiten der Mitarbeiter ab, welches System zum einen ins Budget passt, zum anderen die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter auch wirklich verlässlich erfassen kann. Aus unserer Sicht führt an digitalen Lösungen kein Weg vorbei. In Betracht kommen Lösungen, die Hard- und Softwareeinsatz miteinander verbinden (z.B. eine digitale Stechuhr mit Chip-Karte für die Mitarbeiter). Hier „stempelt“ der Mitarbeiter ein und aus, das System erfasst, verarbeitet und speichert die Daten. Nachteil sind der stationär begrenzte Einsatzbereich und die hohen Anschaffungskosten. Im Ergebnis eignet sich eine solche Lösung also eher für größere Unternehmen mit überwiegend fest eingesetzten Mitarbeitern. Alternative bieten sich für kleinere Unternehmen bzw. für Unternehmen mit einem größeren Anteil an Außendienstlern oder im Homeoffice Beschäftigten reine Software-Lösungen an. Hier werden die Arbeitszeiten über ein Programm auf Büro-PC bzw. ein Onlineprogramm bei PC-Start oder per App vom Arbeitnehmer dokumentiert. Gerade im Homeoffice/Vertrauensarbeitszeit- bzw. Außendienstbereich eignen sich derartige Lösungen. Wichtig ist aber, dass der Arbeitgeber die Eintragungen seiner Mitarbeiter regelmäßig kontrolliert. Denn er ist Adressat der Aufzeichnungspflicht. Will er diese Verpflichtung auf die Mitarbeiter verschieben, ist das nach unserer Einschätzung zulässig (und teilweise zwingend nötig), aber eben nur verbunden mit regelmäßiger Kontrolle. Im Zuge einer Umstellung kann es sich anbieten, bestehende Arbeitsverträge zu ändern bzw. neue Arbeitsverträge z. B. durch eine Zeitkontovereinbarung anzupassen. Bei Beratungsbedarf stehen wir Ihnen gerne zur Seite.

Rechtsanwalt Ralph Muthers, Partner der Kanzlei Dr. Caspers, Mock & Partner mbB