EIN UNTERNEHMEN, DAS BERGE VERSETZT


Seit 73 Jahren gibt die Stephan Schmidt KG im Westerwald den Ton an

Stephan Schmidt (35) greift nicht nach den Sternen, er gräbt eher tief. So tief, wie die 25 Tonnen schweren Bagger die 40 Millionen Jahre Erdgeschichte abtragen können. Die Stephan Schmidt KG in Dornburg im Westerwald wird in mittlerweile dritter Generation geführt. Gegründet vor 73 Jahren vom gleichnamigen Großvater, schreibt das Unternehmen eine lange Geschichte.

Mit dem Spaten in der Hand hatte der Unternehmensgründer Stephan Schmidt sen. begonnen, als er 1947 die Förderung der Grube Birkenheck bei Langendernbach übernahm und damit den Grundstein des Unternehmens legte. Noch bis 1980 wurde untertage händig abgebaut. Heute werden die wertvollen Rohstoffe ausschließlich im offenen Tagebau abgetragen und mit dem Förderband aus der Grube in Lagerboxen gebracht. „Das ist im Vergleich zu früher viel wirtschaftlicher“, wie Stephan Schmidt jr. anmerkt, der seit 2013 als geschäftsführender Gesellschafter die Stephan Schmidt KG führt. Sein Vater Günther, der mittlerweile nicht mehr operativ tätig ist, hatte das Unternehmen zu einem der bedeutendsten Produzenten von Spezialtonen und mineralischen Rohstoffen aufgebaut. Stand heute werden jährlich 1,6 Millionen Tonnen Ton weltweit in über 40 Länder vermarktet - in all seinen Facetten.

„Ein Mensch verbraucht in 70 Jahren etwa 29 Tonnen Ton“, sagt Stephan Schmidt eindrücklich und liefert die Erklärung gleich hinterher.

Denn in unzähligen Bereichen des Lebens findet sich der Rohstoff Ton. Ob sichtbar als Dachziegel, Waschbecken, Fliesen und Kaffeetasse oder nicht offensichtlich in Rohrleitungen, Substraten und Füllstoffen. Denn Ton hat besondere und unverwechselbare Eigenschaften, die ihn so wertvoll und unersetzbar machen.
20 bis 40 Millionen Jahre alt ist der Ton, der im Westerwald lagert und bis zu 400 verschiedene Spezialqualitäten aufweist. Das ist weltweit einmalig und gibt ihm ein Alleinstellungsmerkmal. „Die Entstehung von einer 1 Meter dicken Schicht Ton hat circa eine Million Jahre gedauert“, merkt Stephan Schmidt an und verweist auf die vielfältige Produktpalette des Unternehmens, die sich grob in die beiden großen Geschäftsbereiche der Keramik- und der Mineralprodukte gliedern lässt.

Tone weltweit: Keramikprodukte
Größter Rohstoffabnehmer für die Herstellung von Baukeramik wie Dachziegel, Klinker und Hintermauersteine sind neben Deutschland die Niederlande, für Sanitärkeramik Europa, China, Nordafrika und Russland. Bekannte Marken sind unter anderem Villeroy & Boch und Duravit.
Weil Ton über eine gewisse Plastizität verfügt, eignet er sich auch als Rohstoff für Elektroporzellan. Dazu gehören keramische Isolatoren und Sicherungen. Aber auch Steinzeug-Abwasserrohre, die sich durch eine extreme Langlebigkeit auszeichnen, werden aus Ton hergestellt. Denn im Unterschied zu den vordergründig kostengünstigeren Kunststoff- oder Betonrohren können sie bis zu 2000 Jahre überdauern.
Mit einem Drittel des Jahresumsatzes bleibt aber die italienische Fliesenindustrie wichtigster Abnehmer. Über 550 000 Tonnen im Jahr liefert das Westerwälder Unternehmen nach Italien. Dort befinden sich noch zwei weitere Tochterunternehmen der Stephan Schmidt KG.

Industrieminerale: eine saubere Sache
Wo nach Trinkwasser gebohrt und abgedichtet werden muss, ist auch der wasserundurchlässige Rohstoff Ton nicht weit. Tonpellets eignen sich deshalb als Material für den Brunnenbau, aber auch als Schachtverschlüsse im Bergbau. Bekannte Beispiele sind Stuttgart 21 und der U-Bahn-Tunnelbau in Berlin. Aber Ton kann noch mehr: Als Wasserspeicher und natürlicher Dünger dient er zur Herstellung von Substraten. Anwender sind zum Beispiel Betreiber großer Gewächshäuser in den Niederlanden oder Spanien für die Gemüse- oder Blumenanzucht.
Was für den Boden geeignet ist, passt aber auch an die Decke. Und so werden gemahlene Spezialtone zur Herstellung von Deckenplatten eingesetzt, die sowohl der Lärmdämmung als auch dem Brandschutz dienen.
Mit Füllstoffen und Additiven bedient die Stephan Schmidt KG einen weiteren, breit gefächerten Bereich. Denn Spezialtone sind auch in Gummi und Kautschuk, Industrieklebern sowie Fenster- und Türendichtungen enthalten.

Was es mit dem Keksraum auf sich hat
Damit alles zur optimalen Aufbereitung von Tonen funktioniert, sind die Ansprüche an die Qualität sehr hoch. Im hauseigenen Labor mit eigener Forschungsabteilung werden Tonproben u.a. auf ihre Zusammensetzung, Druckfestigkeit und Ausdehnung unter Temperatureinwirkung untersucht. Im sogenannten Keksraum werden die kreisrunden Plättchen in Holzhalterungen aufbewahrt. Erste Auskunft über die Zusammensetzung geben die jeweiligen Farben. Auf diese Weise können neben der Qualitätssicherung auch neue Anwendungsfelder erschlossen werden.

Ein Umweltthema: Wo Berge versetzt werden
Landschaftsbilder verändern sich durch den Abbau. Denn das Unternehmen versetzt tatsächlich Berge, wenn es in der Grube Wimpfsfeld III – eine der von der Stephan Schmidt KG betriebenen 16 Tongruben im Westerwald - den dahinter bewaldeten Berg Richtung Norden verschiebt. Auch die 60 Meter Abraumschicht, die über dem wertvollen Rohstoff Ton liegt, muss abgetragen und als neuer Berg aufgeschüttet werden. „Wir greifen temporär in die Natur ein“, gibt Stephan Schmidt unumwunden zu. „Aber dort, wo wir abgebaut und rekultiviert haben, lassen wir die Natur höherwertig zurück.“ „Das machen wir im Eigeninteresse, aber auch im Interesse der Umwelt“, so Stephan Schmidt, der gemeinsam mit der Umweltallianz Hessen auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit beim Abbau des wertvollen Rohstoffs setzt.


Umweltschutz betreibe man auf allen Ebenen, angefangen beim Umweltministerium in Rheinland-Pfalz bis zu den lokalen NABU-Ortsgruppen, mit denen gemeinsame Projekte umgesetzt werden. Darüber hinaus hat das Unternehmen auch die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert und bietet Führungen für Kindergärten, Schüler, Studenten und Vereine und natürlich die Politik an. „Wir wollen transparent sein“, sagt Schmidt und lächelt. „Das sind wir als Familienunternehmen gewohnt.“

Portrait

• Geboren am 26. März 1986 in Limburg, aufgewachsen in Langendernbach
• Ist Diplom-Ingenieur und gelernter Stoffprüfer; hat am Westerwaldcampus in Höhr-Grenzhausen studiert und parallel dazu die Ausbildung absolviert
• Ist verheiratet mit Lena Valeske-Schmidt und Vater von drei Kindern (13, 5 und 3 Jahre)
• Führt die Stephan Schmidt KG seit 2013
• Familie hat für ihn einen sehr hohen Stellenwert: Seine Schwestern Eva Schmidt-Lustig und Regina Schmidt sind ebenfalls im Unternehmen tätig. Seine Großmutter Irmgard, die gemeinsam mit seinem Großvater das Unternehmen gegründet hat, ist auch noch als 95-Jährige aktiv dabei.
• Ist der Region eng verbunden und seit einem Jahr Vizepräsident der IHK Limburg.
• Ist ehrenamtlich beim Lions-Club Limburg-Domstadt aktiv und noch bis Juli 2020 Präsident
• Liebt die Berge und Wandern . . .
• . . . und Whisky. CLAYBORN® Single Malt Whisky mit 35 Millionen Jahre altem Wasser, gewonnen aus den Tonschichten, ist der erste aus eigener Produktion.

Kontakt:
Stephan Schmidt KG
Bahnhofstraße 92; 65599 Dornburg
www.schmidt-tone.de

Text: Edith Billigmann; Fotos: Christof Henninger