HANDGEMACHT


Norbert Bandur und seine Leidenschaft für die mittelalterliche Ornamentfliese

Viele kennen noch CARIN, das erste Auto-Navigationssystem aus den 90-ern, das serienmäßig in Europa gebaut wurde. Norbert Bandur, heute 73, gehörte zu den Maschinenbauingenieuren, die maßgeblich an der mechanischen Entwicklung beteiligt waren. Doch sein Herz hat der gebürtige Limburger, seit seiner frühen Kindheit sesshaft in Niedertiefenbach, ans mittelalterliche Handwerk und hier insbesondere an die Herstellung von Schmuckfliesen verloren. „Ein Ausgleich zur technisierten Welt“, meint er selbstredend.

Wie es dazu kam? „Ganz einfach“, erzählt er. Um die Klosterruine in Beselich zu erhalten, habe der Förderverein Geld gebraucht. Bandurs Idee: Bausteine nach dem Vorbild der bei den Ausgrabungen in der denkmalgeschützten Klosterruine Beselich im Jahr 1954 entdeckten ornamentierten Fliesen anzufertigen und zu verkaufen. Die Umsetzung lag damit in seinen Händen.


Das war vor 23 Jahren. Seitdem hat Norbert Bandur unzählige Fliesen geprägt und einen Teil davon auf historischen und mittelalterlichen Märkten, wie zum Beispiel dem Hexenmarkt in Idstein, verkauft.

Zur Historie der Schmuckfliesen
Klosterkirchen hatten im Mittelalter schmucklos zu sein. Deshalb wurden für den Bodenbelag hauptsächlich schlichte Tonfliesen verwendet. Doch die künstlerischen Verzierungen hielten auch hier mit der Zeit Einzug. Die Tonfliesen wurden farbenreicher und in der Anordnung fantasievoller gestaltet, so etwa als schachbrettartige Plattenmosaikböden verlegt.


Die im 12. Jahrhundert zuerst bei den Zisterziensern in Frankreich entwickelten Schmuckfliesen verbreiteten sich schnell in weiteren Klöstern in Frankreich und Deutschland bis hin nach England. Dieser Bodenbelag war - später auch in Bürgerhäusern - etwa 400 Jahre lang „in Mode“. In dieser Zeit gab es über 2000 verschiedene Muster, die auch in den Klöstern Arnstein und Dierstein (Diez), im ehemaligen Kreuzgang des Domes und im Haus Römer 1 nachgewiesen wurden, zudem im Runkeler Burgmannenhof und in Schloss Elgerhausen.

Klosterruine Beselich
Die in der Klosterruine Beselich entdeckten Tonfliesen lassen sich auf das 13. Jahrhundert zurückdatieren. Erbaut wurde die Klosterkirche zwischen 1170 und 1230 für den Orden der Prämonstratenserinnen. Anfang des 17. Jahrhunderts verfielen Kloster und Kirche immer mehr. Lediglich ein paar Mauerreste sind erhalten geblieben, darin auch die historischen Ornamentfliesen.


Hergestellt wurden die Fliesen in einer Fliesenmanufaktur im Zisterzienserkloster Eberbach, das über den Eigenbedarf hinaus auch andere Klöster belieferte.

Faszination altes Handwerk
Um den mittelalterlichen Vorbildern möglichst gerecht zu werden, hat Norbert Bandur selbst Hand angelegt und zunächst aus verschiedenen historischen Vorbildern verschiedene Prägemodeln geschnitzt, darunter auch eine Version mit einem doppelköpfigen Adler, wie sie in der Klosterruine Beselich gefunden wurde. Für die gleichmäßige Form der Fliesen sorgt ein Rahmen auf einer Holzplatte, die zunächst mit Wasser befeuchtet wird, damit der Ton bei der weiteren Bearbeitung auch haften bleibt. Die Oberfläche wird anschließend mit einer Holzleiste glattgezogen, dann das Model aufgedrückt. Nach dem Trocknen wurden die Fliesen damals bei etwa 700 bis 800 Grad gebrannt. Heute geschieht das je nach Tonzusammensetzung bei 1050 bis 1150 Grad“, erläutert der passionierte Fliesenmacher. Vor vier Jahren hat sich Norbert Bandur einen Brennofen zugelegt, sodass seiner Experimentierfreudigkeit nichts mehr im Wege steht.


Sein Wissen und Können gibt Bandur gerne weiter. Gerade für schwierige Fälle ist er ein begehrter Ansprechpartner. So hatte ihn ein Restaurator aus Süddeutschland um Rat gefragt, als er unter dem Chorgestühl einer österreichischen Kapelle einen Fliesenboden fand, dessen Ornamentierung bisher nicht bekannt war. Ihm konnte er den Nachweis erbringen, dass es sich dabei tatsächlich um spätmittelalterliche ornamentierte Fliesen handelte. Die weiteste Anfrage kam übrigens per Mail aus Neuseeland.

„Es ist ein schönes Gefühl, etwas Wertvolles und Zeitbeständiges geschaffen zu haben.“

Wissenswertes:
• Viertelrund mit Lilienstab: Die verzierten Tonfliesen fanden ihren Weg aus den französischen Zisterziensenklöstern über das Elsass ins Rheinland. Hiervon gibt es ca. 2000 verschiedene Muster. Von dieser Version ergeben vier Fliesen zusammen einen Kreis.
• Fliese mit doppelköpfigem Adler: Sie konnte nur in Beselich und Eberbach nachgewiesen werden. Diese Einzelfliese hat ein in sich abgeschlossenes Ornament und stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Klostermanufaktur Eberbach.
• Wie ein Stempel: Mit der fein geschnitzten Holzmodel wird die Ornamentik in die Fliese gedrückt. Anschließend muss sie noch gebrannt werden.
• Massenanfertigung: Um größere Mengen herzustellen, wurden damals mehrere Modeln mit derselben Ornamentik aus Keramik hergestellt. Als Basis diente ein Negativmodel aus Holz, das einfacher herzustellen war als ein Positivmodel.
• Schlaue Verlegetechnik: Damals wurden die Fliesen ohne Fuge verlegt. Durch Ungenauigkeiten, z.B. bei der Brenntemperatur, gab es aber Differenzen in den Abmessungen. So entstanden hier und da schmale Spalten, die sich im Laufe der Zeit durch das Fegen des Bodens zusetzten.
• Glasur: In der Region des Oberrheins wurden Schmuckfliesen oft noch zusätzlich z.B. flaschengrün glasiert. Allerdings hat sich die Glasur im Laufe der Zeit abgelaufen und die rötliche Farbe des Scherbens wieder zum Vorschein gebracht. Bei den unglasierten Fliesen hatte man dieses Problem nicht.

Kontakt:
Norbert Bandur: genoba@t-online.de

Text: Edith Billigmann / Fotos: Edith Billigmann