EINE BRANCHE IM WANDEL DER ZEIT


Bei Augenoptik und Hörakustik liegen Qualität und Individualität voll im Trend

Die Zeiten, in denen italienische Mönche Linsen aus Bergkristall geschliffen haben, um Sehschwächen auszugleichen, sind längst vorbei. Dazwischen liegen gut sieben Jahrhunderte medizinischer und technischer Fortschritt. Heute übernehmen Augenoptiker die professionelle Vermessung der Augen und die Anfertigung verschiedener Sehhilfen.

Ob Einstärkenbrillen, Bifokal- oder Gleitsichtbrillen, ob Bildschirm- oder Lesebrillen - die Auswahl der Gestelle und Gläser in Form, Farbe und Anfertigung ist groß und richtet sich nach den jeweiligen Bedürfnissen. „Und die werden immer anspruchsvoller und individueller“, weiß Frederik Schumacher, Augenoptikermeister und Hörakustikermeister im Polcher Fachgeschäft Schumacher & Wirtz in der Georgenstraße. Er erklärt im Interview, worauf es ankommt.

Die Branche hat sich in den letzten zehn Jahren sehr stark verändert und auch einem gewissen Modediktat unterworfen. Vom Augenoptiker erwartet man, dass gutes Sehen und gutes Aussehen Hand in Hand gehen.
Frederik Schumacher: Das dürfen und sollen Kunden auch erwarten. Bei uns gibt es die gesamte Spannbreite von klassischen bis extravagant-stylischen Brillenfassungen und -gläsern, die nahezu jeden individuellen Geschmack treffen. Da ist mittlerweile einiges selbst bei den viel beklagten Gleitsichtbrillen möglich, deren Qualität sich hinsichtlich Vermessung und Einarbeitung deutlich verbessert hat. Wichtig hierbei ist handwerkliches Können und eine gute und ausführliche Beratung durch den Augenoptiker.

Woher weiß ich, dass ich eine Brille brauche?
Frederik Schumacher: Regelmäßige Untersuchungen der Augen sowie Sehtests sollten zur selbstverständlichen Prophylaxe bereits ab dem Kindesalter gehören. Augenmessungen und Sehtests sind in Fachgeschäften möglich, häufig empfiehlt auch der Augenarzt eine professionelle Gläserauswahl und -einstellung beim Augenoptiker. Dann zeigt sich schnell, ob jemand kurz- oder weitsichtig ist oder vielleicht beides. Oder ob er nur Probleme beim Autofahren, am Computer-Arbeitsplatz oder beim Sport hat.
Die Technologie hat sich bei den Geräten enorm weiterentwickelt. Die Vermessungen sind sehr genau und das Auge kann sehr gut im Profil betrachtet werden. Messdaten lassen eine genaue Zentrierung und Anpassung der Fassung zu. Das allerdings ist nur in einem Fachgeschäft möglich, nicht am Massenbrillenmarkt und bei der Internetbestellung.

Wie hat sich die Art des Sehens verändert?
Frederik Schumacher: Die zunehmende Technologisierung in Beruf und Alltag fordert das Auge viel mehr als früher. Entweder verweilt es zu lange an einer Stelle, wie das beispielsweise bei der Bildschirmarbeit der Fall ist, oder es springt ständig hin und her, wie etwa beim Autofahren zwischen Lenkrad, Straße und Navigation oder beim häufigen Schauen aufs Smartphone. Das ist auch einer der Gründe, warum die Nachfrage nach Gleitsichtbrillen in den letzten Jahren stark gestiegen ist.
Häufig möchten Menschen für verschiedene Lebenslagen (Arbeit, Sport, Freizeit) auch mehrere Brillen zur Verfügung haben. Hier setzt unsere Beratung an, denn jede einzelne sollte dabei eine gute Qualität vorweisen können.

Der Markt macht die größere Auswahl möglich, doch die Spanne zwischen Qualität und Quantität ist groß.
Frederik Schumacher: Der eine fokussiert sich auf Mode, der andere auf Technik. Wir versuchen, beides in Einklang zu bringen. Wichtig ist handwerkliches Können und eine gute und ausführliche Beratung hinsichtlich der Produktqualität.
Markenartikel sagen nicht unbedingt etwas über die Qualität aus, auch hier kann es sich um Massenware handeln. Wir wählen deshalb in unserem Fachgeschäft die Hersteller nach Qualität statt nach Marke aus. Darunter sind weniger bekannte wie Glorify, J.F. Rey und Pro Design. Sie produzieren regional, legen großen Wert auf Qualität und haben sich als verlässliche Partner erwiesen - auch und gerade in der Coronazeit, als viele Markenhersteller aufgrund gestörter oder unterbrochener Lieferketten nicht mehr produzieren konnten. Davon sind wir und unsere Kunden dann glücklicherweise verschont geblieben.

Stichwort Lieferketten. Die waren ja auch Thema bei den Hörgeräten.
Frederik Schumacher: Auch bei den Hörgeräten haben wir dort, wo es möglich war, auf deutsche Produkte umgestellt und uns dadurch eine gewisse Unabhängigkeit vom Großhandel erkämpft. Durch Brexit und Corona ist bei den Fachhändlern ein Umdenken eingetreten. Kleinere, regionale Hersteller sind in der Lieferung sehr zuverlässig, bieten mehr Vielfalt und eine hochwertige Qualität - und sie verschaffen dem Einzelhandel eine gewisse Unabhängigkeit vom Großhandel und damit vom Marktdiktat.

Wohin geht der Trend bei der Hörakustik?
Frederik Schumacher: Der Trend geht eindeutig in Richtung Im-Ohr-Geräte, weil sie in den meisten Fällen ästhetisch schöner wirken und individueller gestaltet werden können. Allerdings ist der Fertigungsaufwand im Vergleich zum Hinter-Ohr-Gerät etwas höher.

Also auch hier wieder der Trend zur Individualität.
Frederik Schumacher: Auf jeden Fall. Jedes Hörgerät ist ein Unikat. Wir verwenden hierfür kein Standardbauteil, sondern fertigen für jeden Kunden mittels Ohrabdruck ein individuelles Hörgerät an. Im Vergleich zum Hinter-Ohr-Gerät sind Im-Ohr-Geräte deutlich kleiner. Sie sitzen tiefer im Ohr, sodass die Distanz zwischen Trommelfell und Lautsprecher geringer ist. Entsprechend der physikalischen Gesetze trifft auf ein kleineres Volumen eine größere Kraft und bewirkt eine optimale Versorgung des Ohres. Dadurch lässt sich fast jeder Hörverlust korrigieren.

Und was passiert, wenn der Kunde erst dann zu Ihnen kommt, wenn der Hörverlust schon sehr weit fortgeschritten ist?
Frederik Schumacher: Auch dann ist oftmals eine Wiederherstellung des Hörvermögens mittels Hörgerät noch möglich. Man braucht nur etwas Geduld, bis der Körper die Nervenverbindung zwischen Innenohr und Gehirn wieder hergestellt hat.
Man darf eines nicht vergessen: Ein Hörgerät ist immer auch eine Frage der Sozialisation, denn gutes Hören ermöglicht die uneingeschränkte Teilhabe am Leben. Hören hat viel mit Lebensqualität zu tun. Man muss sich nur darauf einlassen.

PORTRAIT
Frederik Schumacher (40), gebürtiger Koblenzer, ehemaliger Schüler am Kurfürst-Balduin-Gymnasium in Münstermaifeld und bekennender Kaifenheimer, leitet das Hörgeräte- und Augenoptikunternehmen „Schumacher & Wirtz“ in Polch, das dort seit Juni 2012 in der St. Georgenstraße ansässig ist. Schumacher, dem eine gewisse Affinität zu Turnschuhen nachgesagt wird, hat seine Meisterprüfungen 2004 in Augenoptik und 2012 in Hörakustik absolviert. In seine Fußstapfen tritt Tochter Lena, ausgebildete Augenoptikermeisterin, die zurzeit eine Ausbildung zur Hörakustikmeisterin absolviert. Weitere Ansprechpartner für den persönlichen Service und die kundenorientierte Betreuung sind Geschäftspartner Thomas Wirtz und Augenoptikmeisterin Nadine Ring.

Text: Edith Billigmann / Fotos: Edith Billigmann