IM LAUFSCHRITT


Lydia Ritter dreht täglich ihre Runden

Geboren und aufgewachsen ist Lydia in Speyer. Seitdem sei sie durchs Leben gerannt, lacht die Halbwaise, die 1945 ihren Vater verlor und seitdem auf den jüngsten Bruder aufpassen musste. „Der Tod meines Vaters war sehr schlimm für mich“, sagt sie rückblickend. „Ich war ein Papa-Kind, habe ihn abgöttisch geliebt.“

Der Beruf führt sie schließlich nach Koblenz. Die Bankangestellte und und leidenschaftliche Schlittschuhfahrerin sucht Möglichkeiten, auch hier in der Rhein–Moselstadt ihrem Hobby weiter nachgehen zu können. Aber sie muss auf eine Rollschuhbahn ausweichen. Und als die dann auch noch geschlossen wird, beginnt sie bei Rot-Weiß Koblenz ihre Bahnen zu drehen. Ihr Talent wird schnell erkannt und der Vereins-Trainer meldet sie spontan zum Marathonlauf in Waldnil an. Dort wird sie auf Anhieb Dritte und darf mit den Erst- und Zweitplatzierten in Amerika antreten. Trotz starker internationaler Konkurrenz wird sie Sechste. So bleibt sie beim Langlauf hängen - bis bei einer Routine-OP an der Krampfader eine Arterie verletzt wird. „Ich bin danach nur noch gewandert und Rad gefahren“, erzählt sie.
Der 60. Geburtstag ist zugleich ein Wendepunkt in ihrem Leben. Ihre Bankfiliale in Koblenz schließt, Lydia geht vorzeitig in Rente und Ehemann Lothar, leidenschaftlicher Sportler und Ratgeber fürs Leben, bringt das Laufen wieder ins Spiel. „Wie wär's?“, fragt er sie und Lydia sagt nicht Nein. Seitdem läuft sie sechs Tage die Woche. „Montags ist mein Ruhetag“, sagt sie. Da erledigt sie alles rund um Einkäufe, Überweisungen und Versicherungsangelegenheiten. Am nächsten Tag geht's wieder auf die Bahn am Oberwerth. Dort dreht sie regelmäßig ihre Runden. „Laufen ist mein ein und alles. Ich bin süchtig danach“, bekennt sie. „Laufen regt die Durchblutung im Gehirn an. Es ist ganz wichtig für mich, klar zu bleiben.“


Die Strecke bis Oberwerth fährt sie übrigens mit dem Fahrrad. „Das habe ich mir in der Coronazeit angewöhnt“, sagt sie. „Da war es doch ganz schön einsam und langweilig.“

Ihr Porträt ist in der aktuellen Ausstellung des Kölner Max-Planck-Instituts zu sehen: www.age.mpg

Text: Edith Billigmann / Fotos: Edith Billigmann