200 Jahre auf hohem Niveau


In der kleinen Lahngemeinde Balduinstein bietet ein Familienbetrieb seit Jahrzehnten Speisen und Weine auf höchstem Niveau

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts mussten Mensch und Tier meist deutlich härtere Arbeit verrichten, um sich das tägliche Brot zu verdienen. So auch an vielen Flussläufen. Hier wurde getreidelt. Flussabwärts nutzte man die Strömung oder Segel. Flussaufwärts mussten Lastkähne und kleine Schiffe durch die Kraft von Pferden, die von Menschen auf dem „Treidelpfad“ oder „Leinpfad“ geführt wurden, gezogen werden.

Im Jahr 1827 befand sich an der Lahn in dem kleinen Ort Balduinstein eine Treidelstation. Hier wurden die erschöpften Pferde gewechselt und die Pferdeführer übernachteten auf bereitgestellt Bänken. Der größte heute noch existierende „Treidelpfad“ ist der Panamakanal. Allerdings werden hier die riesigen Containerschiffe von leistungsstarken Lokomotiven gezogen.

Der Treidelpfad an der Lahn im frühen 19. Jahrhundert war die Geburtsstunde des „Landhotel zum Bären“ in Balduinstein, das seit Jahrzehnten vor allem auch wegen seiner herausragenden Küche bekannt und beliebt ist. Inzwischen in der 8. Generation, sind heute Joachim und Corina Buggle für den Familienbetrieb verantwortlich.

In den fast 200 Jahren seiner Geschichte wurde das Gebäude immer wieder erweitert, umgebaut und behutsam restauriert. „Mein Ur-, Ur-, Uropa hat den 2. Stock auf das Haus gesetzt“, erzählt Margit Buggle, die Mutter von Joachim, dem aktuellen Chef. Noch immer unterstützt sie, wenn eine helfende Hand gebraucht, oder ein Rat gefragt ist. Später kam noch ein Tanzsaal mit Bühne dazu. „Es war der Tanzsaal unseres Dorfes und hier wurde auch der Fasching gefeiert“, erzählt Margit Buggle aus ihren Erinnerungen. Sie ist seit 1973 im „Bären“ und erinnert sich noch gut an die Urgroßmutter, die damals in der Küche stand und kochte. „Gut bürgerlich“, wie Margit Buggle erzählt. Ihr Mann Walter hatte in diesem Jahr – 1973 – die Küche übernommen. Und seine Ambitionen gingen weit über „gut bürgerlich“ hinaus.

Ein Sternerestaurant im kleinen Lahntal
Das Restaurant war auch damals schon in den Teil „Am Kachelofen“, der 1974 an der Stelle alter Ställe und Landwirtschaft erbaut wurde und die „Bibliothek“ unterteilt. In den 80er Jahren hatte Walter Buggle aus der „Bibliothek“ eine Sternerestaurant gemacht. Der Guide Michelin verlieh ihm diese Auszeichnung immerhin vier Mal.

„Auch heute ist es noch sehr schwer, einen solchen Stern zu bekommen und noch schwieriger, ihn zu halten“, erzählt Corina Buggle. In den 80er Jahren musste man noch selbst an die französische Grenze fahren oder in den Elsass, um die begehrten Waren frisch zu erhalten. Heute könnte man bei einem Lieferservice alle frischen Produkte direkt beim größten Großhandel der Welt in Paris bestellen.

Dennoch hat sich Corina Buggle und ihr Mann Joachim bewusst dafür entschieden, nicht mehr „auf die Jagd nach einem Stern“ zu gehen. Im Gespräch mit ihr wird deutlich, dass die beiden „Jungen“ diese Zweiklassengesellschaft gestört hat. Ziel war für sie ein gemeinsames Restaurant mit einheitlich gehobener Gastronomie.

Geschmackserlebnisse finden Genießer heute in dem urigen Restaurant „Am Kachelofen“, in der eleganten „Bibliothek“ mit edlem Holzregalen und antikem Buchbestand, in der Weinstube, oder im Sommer auf der mediterranen Terrasse. Mit Blick auf die idyllische Lahn, den Westerwald und den Taunus genießen die Gäste raffinierte und traditionelle Gerichte aus regionaler Küche mit französischen und mediterranen Akzenten.

Das Hotel selbst bietet insgesamt zehn individuell und geschmackvoll eingerichtete Zimmer. Vom romantischen Turmzimmer bis zum kuscheligen Einzelzimmer. Die Gäste finden von Balduinstein aus auch eine ganze Menge an Freizeitmöglichkeiten und sehr viel Natur, die es zu entdecken, zu erwandern gilt. Anstrengende Treidelaufgaben warten nicht mehr auf die Gäste. Ein wenig anspruchsvoll ist höchsten noch die Wanderung zur nahe gelegenen Schaumburg, einem Schloss aus dem 12. Jahrhundert.

Ausbildung bei großen Namen
Corina und Joachim Buggle haben für das Restaurant ein ganz eigenes Konzept entwickelt. Und es erscheint sehr erfolgreich zu sein. Dies sei, so erklärt es Corina Buggle, sicher auch das Ergebnis von Jahrzehnten, in denen die vorherige Generation hervorragende Arbeit geleistet habe und den Grundstein des guten Rufes gelegt hat. Auch heute ist das Führen eines solchen Hotels und Restaurant noch eine Menge Arbeit. Aber Corina und Joachim Buggle haben schon schlimmeres erlebt.

„Natürlich haben wir hier keinen Halbtagsjob. Aber in unserer Ausbildung“, so schildert Corina Buggle ihre Erinnerungen, „hatten wir auch schon einmal einen 16 Stunden-Tag.“ Gelernt haben die Beiden, die sich in einem Restaurant am Kaiserstuhl kennengelernt haben, ihren Beruf in sehr guten Häusern. Der Koch Alfons Schuhbeck und das Restaurant Tandris in München sind nur zwei Namen der langen Liste.

Und einen guten Ruf hat das Haus in dem kleinen Ort Balduinstein zweifelsohne, was auch an der großen Zahl von Stammkunden ablesbar ist. „Wir haben sehr viele Gäste, die regelmäßig zu uns kommen“, erzählt Corina Buggle. Manche seien einmal in der Woche zu Gast, andere kämen zwei Mal im Jahr zu besonderen Gelegenheiten. Alle würden von ihnen gleich wertgeschätzt.

Man muss tatsächlich einmal Gast im Bären in Balduinstein gewesen sein, um zu verstehen, warum dies so ist. Betritt man einen der Restauranträume empfängt einen sofort die angenehme Atmosphäre und das stilvolle Ambiente. Aufmerksame, aber unaufdringliche Servicekräfte reichen die Speisekarte und begleiten den Gast während des gesamten Abends – stets aufmerksam. In diesem Moment steht die schwerste Entscheidung des Abends an. Die aufgeführten Gerichte machen die Wahl schwer. Zumal man von vorherigen Besuchen um die Qualität der Küche weiß. Corina Buggle sagt hierzu: „Alles Essen muss gut und von hoher Qualität sein, egal was.“ Für den Gast ist es nicht so einfach. Fast schon die Qual der Wahl. Auch die Auswahl des Weines nimmt Zeit in Anspruch. Ein wohlsortierter Weinkeller bürgt auch hier für Qualität.

Erfolgreiche Personalpolitik und neue Ideen im Lockdown
Auf gutes und qualifiziertes Personal legt Familie Buggle besonderen Wert. Sie haben gerade erst wieder zwei Servicekräfte eingestellt und leiden deshalb auch nicht unter Personalmangel wie viele andere Restaurants. „Wir achten darauf, unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht zu überlasten. Sie sollen mit ihrer Arbeit zufrieden sein. Dann ist dies auch gut für unsere Gäste“, sagt Corina Buggle. „Lieber etwas tiefer in die Tasche greifen und dafür gute Leute bekommen“, ergänzt sie.

Die schwierigen Wochen und Monate des Lockdowns in der Corona-Pandemie haben sie gut überstanden. In dieser Zeit habe man das Außerhausgeschäft deutlich ausgeweitet. „Wir haben eine großartige Solidarität unserer Stammkunden erlebt, was uns finanziell sehr geholfen hat“, ist Corina Buggle noch heute dankbar. In dieser Zeit sei es auch zu der Zusammenarbeit mit „Blumen Lorenz“ aus Limburg gekommen, oder die Organisation eines Weihnachtsmarktes, den es auch in Zukunft weiterhin geben soll.

Klarer Plan für die Zukunft
Für die Zukunft hat sich Familie Buggle vorgenommen, die hohe Qualität im Restaurant und im Hotel zu halten und die Kinder und Enkel ihrer jetzigen Kunden als zukünftige Gäste dauerhaft zu gewinnen.
Inzwischen muss man auch nicht mehr auf die Pferde auf dem Treidelpfad warten, die das Schiff nach Balduinstein ziehen. Das Landhotel ist gut erreichbar mit dem Auto, der Bahn, dem Fahrrad und dem inzwischen motorisierten Fahrgastschiff aus Limburg. Mit welchem Verkehrsmittel auch immer – der Besuch des „Landhotels zu Bären“ lohnt sich.

Text: Klaus-Peter Kreß