Spartanerin mit Leib und Seele


Extremhindernisläufe mit über 50? Marisa Primavera aus Montabaur hat eine neue Leidenschaft für sich entdeckt.

„Man muss mit 50 nicht zum alten Eisen gehören – weder optisch noch sportlich. Alter ist nur eine Nummer. Es ist nie zu spät, mit irgendwas anzufangen, im Leben was zu ändern, einfach mal einen neuen Weg einzuschlagen“, sagt die 51-jährige Marisa Primavera aus Montabaur. Und für ihre eigenen Worte ist sie selbst das beste Beispiel, denn mit Ende 40 hat sie eine neue Leidenschaft für sich entdeckt, die es in sich hat: Extremhindernisläufe bzw. Obstacle Course Racing (OCR).

Extremhindernisläufe sind Läufe, bei denen die Teilnehmer eine vorgeschriebene Kilometerdistanz laufen und zusätzlich Hindernisse verschiedener Art überwinden müssen. Dabei wird unterschieden zwischen Pflichthindernissen und optionalen Hindernissen. Bei den Läufen werden Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Balance und Koordination gefordert. Sowohl die Strecken als auch die Hindernisse sind bei diesen Läufen immer unterschiedlich gestaltet. Außerdem sind die klimatischen Bedingungen immer anders.

Angefangen hat alles 2018, als sie den Muddy Angel Run in Köln absolvierte. „Da dachte ich mir, ach, das würde mir Spaß machen. Nur laufen find ich brutal langweilig und das mit den Hindernissen fand ich super.“ Also blieb sie dran, lief im selben Jahr in Bad Hönnigen bei ihren ersten Xletics die Kurzdistanz und war sofort infiziert. In Wuppertal versuchte sie sich kurze Zeit später an der Langdistanz und entschloss sich, ihre neu gefundene Leidenschaft weiter auszubauen.
Schließlich lief sie dann 2019 in Oberndorf zum ersten Mal ein Spartanrennen auf der Kurz- und Mitteldistanz, was die 51-Jährige als „sehr herausfordernd“ beschreibt. Denn „beim Start waren es nur drei Grad. Dann ging es erstmal direkt durch den Baggersee und die Strecke war mit 10+ Kilometern ausgeschrieben – am Ende waren es aber dann irgendwie 19.“ Eine große Herausforderung, von der sie sich jedoch nicht beirren ließ.

„Ich bin Spartaner!“
Die Spartanläufe haben es Marisa Primavera besonders angetan. Spartan kommt aus den USA und ist eine globale Serie. Besonders gefällt ihr daran, dass sie sich im Wettkampf messen kann, weil es Altersklassen gibt. „Die haben diese drei Distanzen, die man laufen kann und wenn man alle drei Distanzen in einem Jahr läuft, hat man ein sogenanntes Trifecta. Wir machen fast immer Trifecta-Wochenenden. Das heißt da laufen wir alle drei Distanzen, man bekommt nochmal eine Extramedaille, und dann kann man innerhalb von einem Jahr diese Trifecta-Medaillen steigern.“ Und über Medaillen freut sie sich natürlich sehr. „Es ist schon ein schönes Gefühl, wenn man nach Hause kommt mit einem Koffer voller Medaillen. Wir Frauen und Bling Bling. Andere brauchen Diamanten, ich brauche Medaillen“, lacht die 51-Jährige.

„Wir Frauen und Bling Bling. Andere brauchen Diamanten, ich brauche Medaillen“
Spartan bietet eine DACH-Serie (Deutschland, Österreich und Schweiz) sowie weitere Serien in anderen europäischen Ländern wie beispielsweise in Frankreich oder Italien an, bei denen man sich für die Teilnahme an der Spartan Europameisterschaft qualifizieren kann. Mit einer dortigen erfolgreichen Teilnahme besteht wiederum die Möglichkeit, auch bei der Spartan Weltmeisterschaft an den Start zu gehen. Marina Primavera belegte im vergangenen Jahr bei der EM in Verbier den siebten Platz in ihrer Altersklasse und bei der WM in Abu Dhabi Platz vier. In diesem Jahr möchte sie sich selbstverständlich wieder qualifizieren und einen Platz auf dem Treppchen ergattern, wie es bei anderen Läufen schon mehrfach der Fall war.

Es sind extreme Bedingungen, denen sich Marisa Primavera immer wieder aussetzt, doch sie bleibt dran – egal wie anstrengend dieser Sport auch ist. „Irgendwann ist man im Tunnel. Gerade bei diesen Langdistanzen komme ich manchmal an meine Grenzen, wo ich dann denke ‚Das mache ich nie wieder‘. Und dann springt man am Ende übers Feuer und man hat das Strahlen für mindestens eine Woche im Gesicht.“ Dieses Strahlen ist auch noch viele Monate später deutlich sichtbar. „Ich bin Spartaner. Dieses Format – das ist mein Ding!“

Die richtige Vorbereitung
Vor der Liebe zu Extremhindernisläufen stand Sport bei Marisa Primavera nicht wirklich hoch im Kurs. Jahrelang standen ihre Kinder und der Job im Fokus. Doch ihre zwei Jungs sind jetzt älter, im Job weiß sie, was sie tut und durch Corona-bedingtes Home Office und deutlich weniger Dienstreisen ergaben sich plötzlich ganz neue Möglichkeiten.

„Wenn man das wettkampfmäßig betreibt, ist das alles sehr zeitaufwendig und abwechslungsreich, was den Sport selbst angeht. Ich gehe laufen, mache viel Mobility, also Yoga, Balance-Training, Koordinationstraining.“ Außerdem hat sie eine Doppelagarage zu einem Sportraum mit Hangelleiter, Slackline und einem Laufband für schlechtes Wetter ausgebaut. In der Wohnung hängt eine Klimmzugstange, der Gymnastikball ist ebenfalls griffbereit. „Dann bin ich noch im Crossfit Limburg und da helfen mir die Coaches auch, gezielt Kraft aufzubauen, damit ich meine Maximalkraft erhöhe.“

Eine Trainerin aus England hilft mit gezieltem OCR-Training. Die Griffkraft wird beispielsweise beim Bouldern trainiert. Hin und wieder zieht es Marisa Primavera auch mal in den Sportpark Kelkheim samt Ninja-Halle. „Mein Programm ist sehr abwechslungsreich. Da geht die Woche schon ziemlich schnell rum.“ Umso schöner, dass sie viele ihrer sportlichen Aktivitäten auch mit ihren beiden Söhnen im Teenageralter teilen kann, die ebenfalls Gefallen an dieser Sportart gefunden haben.

Motivation
Geld verdient Marisa Primavera mit diesem Sport nicht. Es ist ein Nischensport, für den die zweifache Mutter alles aus eigener Tasche finanziert. Anreise, Startgeld, Hotels und vieles mehr – da kommt auf jeden Fall einiges zusammen. „Es macht mir Freude, es macht mir Spaß, es ist Leidenschaft pur, sonst könnte ich das gar nicht betreiben.“

„Es macht mir Freude, es macht mir Spaß, es ist Leidenschaft pur, sonst könnte ich das gar nicht betreiben.“
„Es gibt noch so viel, das ich lernen muss, aber ich freue mich über jede Kleinigkeit, über jede Steigerung, über jeden Erfolg. Das fängt schon im Vorfeld beim Training an. Man sollte da – gerade in meinem Alter – mit einem gesunden Ehrgeiz rangehen und sich auf keinen Fall mit den Elite-Leuten vergleichen oder messen wollen.“ Da meistens bei den Läufen nicht nach Altersgruppen gestartet wird, ist ein direkter Vergleich, während man unterwegs ist, auch gar nicht möglich. Ein Vorteil, findet die Athletin. „Es ist halt immer mein sehr persönliches Rennen. Man muss auch auf seinen Körper hören. Manchmal sagt der einfach, es geht nicht. Nicht um jeden Preis. Natürlich geht man dahin, um zu gewinnen, aber in meiner Geschwindigkeit, so wie ich es kann, mit dem was mir zur Verfügung steht in dem Moment.“ Ihre Strategie: „Man wird nie in Allem gut sein. Also an den Stärken weiterarbeiten und bei den Schwächen versuchen, Techniken zu erlernen, um besser zu werden. Die Strategie ist bisher bei mir ganz gut aufgegangen.“

Ziele für 2022
Für 2022 steht für Marisa Primavera natürlich wieder einiges auf dem Plan. Sofern es Corona zulässt, möchte sie in diesem Jahr an insgesamt 15 Trifecta-Wochenenden teilnehmen. Im letzten Jahr hieß es vor allem „einfach nur heile anzukommen“, wobei dreimal ein erster Platz, und zwei Mal ein dritter Platz bei verschiedenen Serien herausgesprungen sind. Also mehr als erwartet. In diesem Jahr sind die Ziele jedoch höher gesteckt: eine Serie gewinnen, bei EM und WM aufs Podium und natürlich weiterhin ganz viele Medaillen.