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Der Limburger Wolfgang Fink beteiligt sich an der Marsmission und lässt Blinde wieder sehen

Wolfgang Fink ist in Limburg geboren und aufgewachsen. Sein Abitur machte er an der Tilemannschule. Ein echter Limburger Junge. Irgendwann ging er in die USA. Inzwischen ist er für viele der bedeutendste und profilierteste Wissenschaftler aus Limburg.

Längst ist er promoviert und darf sich zudem Professor nennen. Er hat in den Vereinigten Staaten mehrere Professuren, hält zahlreiche Patente, bekam mehrere hohe wissenschaftliche Preise und Auszeichnungen und hat für und mit der NASA an Konzepten für Marsmissionen gearbeitet.
Dennoch ist er mit ganzem Herzen seiner Heimatstadt verbunden geblieben, besucht sie regelmäßig, hält Kontakte und setzt sich für soziale Projekte in der alten Heimat ein. Wer nun hinter Professor Dr. Wolfgang Fink mit all dem erreichten wissenschaftlichen Glanz und Gloria einen vergeistigten, abgehobenen Wissenschaftler vermutet, der der Realität entrückt ist, liegt völlig falsch. Er ist gänzlich unprätentiös, seinem Gesprächspartner zugewandt, nahbar, liebt es auch, einmal über ganz banale Dinge zu sprechen und ist sich auch nicht zu schade, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse einer kleinen Gruppe von Menschen verständlich vorzutragen. Einzige Bedingung: Menschen, die wie er selbst sagt: “nicht so viel Glück im Leben hatten“, sollten etwas davon haben.

Studium in Deutschland – erste interdisziplinäre Projekte
Zunächst studierte Wolfgang Fink an der Georg-August-Universität in Göttingen. Er schloss in den Fächern Theoretische Physik, Experimentalphysik, Astronomie und Astrophysik sowie physikalische Chemie mit einem Diplom ab. An der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen promovierte er 1997 „summa cum laude“ in Theoretischer Physik zum Thema „Anwendung theoretisch-physikalischer Methoden in der Ophthalmologie“ (Augenheilkunde). Er hatte sich für Tübingen entschieden, da dort eine Doktorandenstelle angeboten worden war, bei der es um die Anwendung Theoretischer Physik im Gebiet der Augenheilkunde und Optik ging. Von Anfang an wollte er etwas interdisziplinäres machen, was in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts keineswegs selbstverständlich war. Im Gegenteil. Bei profilierten Wissenschaftlern sah man damals häufiger hochgezogene Augenbrauen, wenn es um interdisziplinäre Projekte gehen sollte. Professor Fink erinnert sich: „Interdisziplinär zu arbeiten galt damals im besten Falle als exotisch. Es wurde eher toleriert als akzeptiert.“ Inzwischen habe sich die Einschätzung fundamental geändert. Heutzutage sei fast alles in der Wissenschaft interdisziplinär.

Schnelle wissenschaftliche Karriere in den USA
1998 ging er nach Kalifornien in den USA und arbeitete zunächst drei Jahre am „California Institute of Technology“ (Caltech), bevor er neun Jahre am „Jet Propulsion Laboratory“ (JPL) der NASA in Pasadena als Forschungswissenschaftler arbeitete. Er wurde zeitgleich zum “Visiting Associate“ in Physik am Caltech (2001-2016) ernannt und war zudem als „Visiting Research Associate Professor“ in Augenheilkunde und neurologischer Chirurgie an der University of Southern California in Los Angeles tätig (2005-2014). Seit 2009 ist er Professor und Inhaber des ersten Edward &
Maria Keonjian-Stitungslehrstuhls für Mikroelektronik an der University of Arizona. Seine fachübergreifenden Forschungsgebiete umfassen unter anderem autonome robotische Systeme für die Weltraumforschung, Computer-Optimierung, Biomedizin mit Spezialisierung auf künstliche Sehimplantate, Sehtests und augenmedizinische Untersuchungsinstrumente. Welch eine wissenschaftliche Spannweite.
Professor Wolfgang Fink schätzt die Möglichkeiten, die sich ihm als Wissenschaftler in den USA bieten. Auch die üppigen Forschungsgelder, ob von privater oder staatlicher Seite. Dennoch ist er im tiefsten Herzen ein Limburger geblieben. Er spricht gern von seiner schönen und behüteten Kindheit, in der es ihm „im Prinzip an nichts Wesentlichem mangelte“. Wie viele Deutsche in den USA vermisst auch er die deutschen Konditoreien, das deutsche Brot und einen „ordentlichen“ Kaffee. Er denke oft an die vielen kleinen Fachgeschäfte, die es so in den USA nicht gäbe, den Dom, die Altstadt. Er vermisse seine Klassenkameraden von damals und erinnere sich gut und auch gern an den Limburger Friedhof: „Friedvoll und tatsächlich mit Flora und Fauna voller Leben.“ Hier sind seine Eltern bestattet.

Konzept für die Marsmission der NASA
So bodenständig diese Erinnerungen auch sind, zieht es Professor Fink doch zumindest auch gelegentlich in wahrlich ferne Welten. Vor rund 20 Jahren entwickelte er ein damals bahnbrechendes neues Konzept für die Erforschung von Planeten, das „Tier-Scalable Reconnaissance“. Er hält die Definition „mehrschichtige und Multi-Agenten robotische Systeme“ für eine wohl für jeden verständliche Erklärung. Bis zu diesem neuen Konzept gab es bei der Erforschung anderer Planeten bisher nur bodennahe Aufklärung und Erkundung durch Rover oder unbewegliche Lander, bzw. eine globale Kartierung durch einen Orbiter. Beide Vorgehensweisen sind technikbeschränkt und ermöglichen nur eine begrenzt detaillierte Erkundung. Beim Ausfall eines dieser Geräte ist die Mission gescheitert. Das neue Konzept sieht mehrere Ebenen von Robotern vor, die jeweils autonom arbeiten und sich gegenseitig informieren und optimieren. Ein Orbiter, mehrere Luftschiffe (falls eine Atmosphäre vorhanden ist) und viele kleine Rover. Fällt ein Rover aus, ist die Mission dennoch nicht gefährdet. Dieses Konzept entwickelte Professor Fink mit einem kleinen Team, veröffentlichte es und ließ es sich patentieren. Mit dem Flug des Mars-Helikopters „Ingenuity“ (Genialität) und dem Mars-Rover „Perseverance“ (Ausdauer) im April 2021 wurde es erstmals zum
Teil verwirklicht. Damit war Professor Fink mit der Entwicklung dieses Konzepts seiner Zeit 20 Jahre voraus. „Eine tiefe Genugtuung“, sagt er. Gewürdigt wurden er und sein Team mit dem „NASA Space Act Board Award“ und mit drei „NASA Patent Awards“.
Von 2004 bis 2011 arbeitete er am „Artificial Retina Project“, gefördert durch das United States Department of Energy. Dabei ging es um die Entwicklung eines implantierbaren mikroelektronischen Netzhautgeräts, das Menschen, die durch Netzhauterkrankungen geblendet sind, ein nützliches Sehvermögen zurückgibt. Die Liste der zahlreichen Patente, wissenschaftlichen Veröffentlichungen – mehrere hundert – sowie Preise und Auszeichnungen, ließe sich beliebig fortsetzen. Dazu gehört auch der R&D 100 Preis. Ein hochangesehener Innovationspreis für Ingenieurwissenschaften. Wer jetzt noch nicht glaubt, dass ein Tag des Professor Fink mindestens 36 Stunden hat, dem sei berichtet, dass er „ganz nebenbei“ ein in Fachkreisen bekannter Pianist ist und in seiner Freizeit noch den privaten sowie den kommerziellen Flugschein für Hubschrauber gemacht hat.

Soziales Engagement in der alten Heimat
Trotz aller Ehrungen und Erfolge, denkt er immer auch an Menschen, denen es nicht so gut geht wie ihm. Bei seinen Konzerten und Vorträgen – insbesondere in seiner alten Heimat – verzichtet er meist auf ein Honorar. Aber er bittet um eine Spende für eine soziale Einrichtung. Auf seine Empfehlung hin erhielt oft die Caritas-Wohnungslosenhilfe in Limburg das Geld. 2015 hatte er den früheren Leiter dieser Einrichtung, Harry Frenzl, beim Sparkassenkolleg kennengelernt, der ihm die Einrichtung in Limburg persönlich zeigte. Professor Fink war auch Impulsgeber für den ersten „Jahrmarkt der Sinne“ im Bischofsgarten 2017. Bei dieser Gelegenheit lernte er den Limburger Bischof, Georg Bätzing, persönlich kennen.
Auch nach der über 20-jährigen wissenschaftlichen Arbeit in den USA, hat er noch viele Kontakte und Freundschaften in Limburg. Es drängt sich also sofort die Frage auf, ob er einmal ganz nach Limburg zurückkehren will. Er kann sich durchaus vorstellen, sich einmal in Limburg „zur Ruhe zu setzen“. Zunächst will er aber noch solange es geht in den USA wissenschaftlich arbeiten. Für ihn sind die dortigen Rahmenbedingungen nahezu perfekt. Und schließlich hat er sich noch einiges vorgenommen.
Wissenschaftlich ist noch einiges in Planung Weitere Fortschritte in der Augenheilkunde, etwa bessere Implantate für Blinde, die ihnen eine nützlichere bzw. realistischere Sehfähigkeit zurückgeben, stehen ganz oben auf seiner Liste. Vermutlich möchte er auch noch den ersten Menschen auf dem Mars von den USA aus erleben und natürlich sein „Tier-Scalable Reconnaissance“ Konzept dort in Aktion. Professor Wolfgang Fink hat schon sein ganzes Leben lang über den aktuellen wissenschaftlichen Horizont hinausgeblickt und ist doch mit beiden Beinen auf der Erde geblieben.
Ein Limburger, auf den die Stadt wirklich stolz sein kann.

Text: Klaus-Peter Kreß/ Fotos: Pete Brown, University of Arizona, Daniel Stolte, University of Arizona, privat,