Portrait Alrun Uebing


Zwischen messerscharfen Äxten und donnernden Motorsägen

Absoluter Nervenkitzel: Alrun Uebing aus Moschheim ist die beste Sportholzfällerin Deutschlands
Eine Runde Tennis spielen oder die Region bei einer ausgiebigen Wanderung erkunden? Bei Alrun Uebing aus Moschheim sieht die Freizeitgestaltung ein bisschen anders aus: Die 50-Jährige zersägt lieber Bäume. Und das mit Erfolg, denn erst im September 2023 erkämpfte sich die Westerwälderin erstmals den Meistertitel im Sportholzfällen bei der STIHL TIMBERSPORTS® Deutschen Meisterschaft in Essen.
Vom ersten Sägeschnitt bis zum letzten Axthieb war die Spannung im Kräftemessen der Frauen in der Luft zu spüren. Erst in der letzten Disziplin, dem Underhand Chop, konnte die Moschheimerin sich den Triumph sichern. Damit erreichte Uebing ihr lang ersehntes Ziel und wurde zum ersten Mal Deutsche Meisterin: „Es ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich war vorher ziemlich nervös. Deswegen bin ich sehr froh, dass heute alles funktioniert hat“, freute sie sich nach dem actionreichen Extremsport-Highlight.
Wie sie diesen Sport für sich entdeckt hat? Das war 2017 alles purer Zufall. „Ich hatte viel Brennholz auf dem Hof und habe online nach einer neuen Motorsäge gesucht. Dabei habe ich von einem Probetraining für Frauen erfahren und war direkt Feuer und Flamme“, erinnert sich die Diplombiologin, die in der Verbandsgemeindeverwaltung Montabaur arbeitet. Schon damals beeindruckt sie die anderen Kursteilnehmerinnen mit ihrer Kraft.
Seitdem ist das Energiebündel nicht mehr zu bremsen. Noch im selben Jahr nimmt sie an ihrer ersten Deutschen Meisterschaft teil und landet direkt auf Platz vier. Ein Jahr später holt sie dann den zweiten Platz und auch 2019 wird sie Vize-Meisterin im Sportholzfällen. 2021 und 2022 erreicht sie jeweils den dritten Platz, bevor sie in diesem Jahr endlich ganz oben auf dem Podest steht.

„The Original Extreme Sport“
Sportholzfällen gibt es bereits seit mehr als hundert Jahren und wird daher gerne als „The Original Extreme Sport“ bezeichnet. Ende des 19. Jahrhunderts begannen Forstarbeitende damit, sich in ihrer Freizeit an Axt und Säge miteinander zu messen. Die Wurzeln des Sports liegen in Australien und Neuseeland, von dort breitete er sich auch nach Kanada und in die USA aus. Aus den improvisierten Anfängen entwickelten sich rund ein Dutzend sportliche Disziplinen, darunter einige, die konkret das Fällen und Zerteilen eines Baumes simulieren. Alle Disziplinen erfordern von den Sporttreibenden Geschicklichkeit im Umgang mit dem Werkzeug und dem Material Holz, Kraft und Ausdauer sowie eine präzise Technik.
Bei den nationalen und internationalen Wettkämpfen der Königsklasse im Sportholzfällen treten die Wettkämpfenden in bis zu drei Axt- und drei Sägedisziplinen gegeneinander an. Springboard, Underhand Chop und Standing Block Chop gehören zu den klassischen Axtwettbewerben; bei der Single Buck (Zugsäge), der Stock Saw (Motorsäge) und der Hot Saw (bis zu 80 PS starke, getunte Motorsäge) kämpfen die Sportler mit Sägen um Bestzeiten.

Die richtige Vorbereitung
Alrun Uebing tritt bei den Timbersports-Wettkämpfen in drei Disziplinen an: Stock Saw, Single Buck, Underhand Chop. Bei Wettkämpfen im Ausland auch in der Disziplin Standing Block Chop. Dafür trainiert die ehemalige Leichtathletin fast täglich und liebt es besonders, sich beim Holzhacken und Sägen zu verausgaben. Bei diesem Ganzkörpertraining arbeitet man aus den Armen und Beinen heraus und ist am Ende genauso außer Atem, wie nach einem 100-Meter-Lauf auf Zeit. „Man kann den ganzen Körper und seine ganze Kraft einsetzen und zeigen, was man kann.“
Ein Glück, dass zu ihrem Freundeskreis auch Forstwirte gehören, denn Material für ihr Training zu finden gestaltet sich eher schwierig. „In der Wettkampfvorbereitung zerlege ich etwa einen Baum pro Woche. In einer Saison komme ich da gerne auf 15 Raummeter. Da bin ich meinen Freunden wirklich sehr dankbar für die Unterstützung“, so die 50-Jährige. Und überhaupt kann sie sich immer auf die Unterstützung von Freunden und Familie verlassen.
Das intensive Training und die vielen Wettkämpfe im In- und Ausland lassen sich gut mit ihrem sozialen Umfeld verbinden. „Ich lebe dafür, ich verzichte auf nichts! Ich treffe durch den Sport Freunde und liebe es, Land und Leute kennenzulernen“, wobei es ihr auch zugutekommt, mehrere Fremdsprachen wie Englisch und Französisch sprechen zu können.
Damit ihr Körper das Pensum langfristig mitmacht, sind eine gute Ernährung und viel Schlaf natürlich wichtig. Außerdem Übungen, um Muskeln aufzubauen und ihren Rücken zu stabilisieren. Die Tatsache, dass sie seit der Kindheit viele Jahre aktiv Leichtathletik betrieben hat, ist für sie von Vorteil. Dabei hat sie schon in jungen Jahren gelernt, auf ihren Körper zu hören, was gerade im Leistungssport von großer Wichtigkeit ist. Denn obwohl sie mit 50 in der Regel die älteste Teilnehmerin ist, denkt sie noch lange nicht ans Aufhören. „Solange ich die Axt hochkriege, mach ich das!“ Und natürlich darf auch die richtige Ausrüstung nicht fehlen: Schnittschutzsocken und -hosen sowie Hör- und Sichtschutz sind ein absolutes Muss.

Ziele für 2023
Aktuell gehört Alrun Uebing in ihrem Sport zur Kategorie „Intermediates“ – das sind alle über 25, die noch nicht alle sechs Disziplinen sicher beherrschen. Langfristig kann sie sich durchaus vorstellen, sich weitere Qualifikationen anzueignen – mit den benötigten Trainingsgegebenheiten sei es in Deutschland jedoch schwierig. Allgemein möchte die Sportlerin selbstverständlich ihre technischen Leistungen kontinuierlich verbessern. „Es geht mir nicht nur ums Gewinnen. Wenn andere besser sind, ist das halt so. Solange ich aber weiß, dass ich mein Bestes gegeben habe, ist es auch in Ordnung Letzte zu sein.“ Auf dem Treppchen ganz oben zu stehen sei aber natürlich trotzdem immer wieder ein besonderes Erlebnis: „Das war schon ein geiles Feeling, als nach einem Wettkampf in Schweden die deutsche Nationalhymne gespielt wurde.“
Und wer weiß, vielleicht kommen ja auch noch ein paar Rekorde hinzu oder sie kann ihre jetzigen noch verbessern. Aktuell hält Alrun Uebing bei den Frauen in allen vier ihrer Disziplinen den Rekord auf deutscher Ebene, drei davon in Europa und mit der Stock Saw hält sie aktuell sogar den Weltrekord. „Es waren sogar mal zwei Weltrekorde, aber so ist das eben im Sport. Für ein paar Monate war ich mit der Stock Saw sogar die Beste der Welt bei Männern und Frauen – das hat sicherlich an einigen Egos gekratzt“, lacht die Sportholzfällerin zufrieden und freut sich schon jetzt auf die neuen Herausforderungen.

Text: Jacqueline Schlechtriem
Fotos: STIHL TIMBERSPORTS®

Jaqueline Schlechtriem