Portrait Antje Bornemeier


Für die Bühne geboren

Zwischen Traum und Realität: Opernsängerin Antje Bornemeier verzaubert auf großen und kleinen Bühnen – und führt dabei ein „Puzzleleben“

„Ich möchte Sängerin werden!“ ist wohl ein Satz, den man von vielen jungen Mädchen hört – doch bei den wenigsten geht dieser Traum auch in Erfüllung. Für die in Frankfurt geborene und in Zehnhausen bei Rennerod aufgewachsene Antje Bornemeier waren es jedoch nicht nur Flausen im Kopf. Sie hat an ihrem Traum festgehalten und heute ist sie klassische Opernsängerin.

Die Weichen für die Zukunft stellen
Ihre Liebe zur Musik macht sich bei Antje Bornemeier schon früh bemerkbar. Bereits im Grundschulalter gibt es, gemeinsam mit ihrer damaligen besten Freundin, nicht nur Konzerte im Kinderzimmer – mutig treten die beiden auch bei Dorffesten auf. Dank Maxi-CDs mit Karaoke-Versionen begeistern sie das Publikum mit Covern von Britney Spears.

Auch später am Konrad-Adenauer-Gymnasium in Westerburg bleibt sie der Musik treu und singt im Chor. Als an der Schule, in Kooperation mit der Kreismusikschule, Stimmbildungskurse für Gruppen angeboten werden, wird Antje Bornemeier von ihrer Chorleiterin hingeschickt und ihr enormes Potential bleibt auch hier nicht unentdeckt. Es folgt Einzelgesangsunterricht, um ihre Stimme gezielt weiter auszubilden. Neben dem Schulchor begleitet das Talent die Gitarren-AG gesanglich bei Konzerten, tritt immer wieder solistisch in Erscheinung, verzaubert alles und jeden mit ihrer Stimme. Eine Schulveranstaltung ohne ihren Gesang? Kaum vorstellbar!

Ihr Weg zum Operngesang
Ihre Patentante ist es, die Antje Bornemeier eine CD der bekannten Opernsängerin Anna Netrebko schenkt – ohne zu wissen, was dieses Geschenk auslösen würde. „Ich habe die CD gehört, die Opernarien mitgesungen und dabei nochmal ein ganz anderes Körpergefühl wahrgenommen. Ich habe gemerkt, dass das was mit mir macht“, erinnert sie sich. Und so entwickelt sich immer mehr die Lust darauf, klassische Opernsängerin zu werden. Natürlich habe es auch Zweifel gegeben und mit Auftrittsangst habe sie auch zu kämpfen gehabt – davon abhalten ließ sie sich jedoch nicht. „Ein gesundes Maß an Aufregung gehört einfach dazu!“
2008 absolviert sie ihr Abitur, geht erstmal für ein halbes Jahr als Au Pair nach Kanada. Und dann? Opernsängerin werden wollen ist das eine, der Weg dahin alles andere als einfach. Damals ist es vor allem ihre Mutter, die sie bei ihrer Zukunftsplanung unterstützt. Durch Kontakte erhält Antje Bornemeier die Möglichkeit, bei Mezzosopranistin Cynthia Grose, die damals Gesangslehrerin am Mainzer Konservatorium ist, vorzusingen. „Da machen wir was mit“, entscheidet der Profi und nimmt das Nachwuchstalent unter ihre Fittiche. Im Rahmen der Studienvorbereitenden Ausbildung (SVA) auf ein Musikstudium lernt sie in zwei Jahren alles, was sie braucht.
Nach ihrer Aufnahmeprüfungstour entscheidet sich Antje Bornemeier für ein Gesangsstudium an der Universität der Künste in Berlin (UdK), wo sie ihren Bachelor und Master absolviert. „Ich muss jetzt raus in die Welt“, war damals die Devise. Bis heute hat sie ihren Weg in die Hauptstadt nicht bereut und nach zwölf Jahren berlinert sie gekonnt, wie die Einheimischen.

Während ihres Studiums verkörpert sie unter anderem 2016 die Partie der Hanna Glawari in Lehárs „Die lustige Witwe“ an der UdK. Im März 2018 geht es für sie nach Südkorea, wo sie im Rahmen der Universiade im Daegu Opera House als Contessa in „Le Nozze Di Figaro“ auf der Bühne steht. Im Juli 2018 schließt sie ihren Master mit der herausfordernden Monooper „La voix humaine“ von Francis Poulenc erfolgreich ab. „Da wurde für mich was Besonderes ausgewählt. Ein sehr forderndes Stück, das zu einem meiner Herzstücke wurde“, sagt die Opernsängerin. „Es ist ein großes Kompliment, dass mir das zugetraut wurde, und es war das perfekte Stück zum Abschluss. Das ist eine richtig krasse Figur mit ungeheuren, emotionalen Schwankungen. Da musst du alle Paletten deines Gefühl-Archivs rausholen.“ Im gleichen Jahr wurde Antje Bornemeier außerdem Stipendiatin des Richard Wagner Verbands Berlin.

Ab auf die große Bühne
Im Studium gehe es vor allem um die musikalische Ausbildung, doch wie die Realität nach dem Abschluss aussieht, werde leider eher wenig thematisiert, sagt Antje Bornemeier rückblickend. „Man ist dann fertig und wenn man den Beruf als Sängerin ausübt, kann man sich nicht einfach irgendwo auf eine Stelle bewerben.“ Man brauche Kontakte, es müssen Vorsingen angeboten werden, zu denen man gehen kann, man singe bei Agenturen vor und versuche einen Agenten zu finden. „Der Markt ist voll – vor allem mit Sopranistinnen – und man muss sich immer wieder neu beweisen.“
Aber manchmal muss man eben auch mal Glück haben: Nach dem Studium ergibt sich eine „kleine, aber sehr feine, Rolle“ an der Staatsoper in Berlin, in der sie das Sandmännchen in Achim Freyers Inszenierung von Humperdincks „Hänsel und Gretel“ singt. „Das war großartig, da direkt auf die große Bühne zu gehen!“
Obwohl sie nach dem Studium eigentlich den Wunsch hat solistisch zu singen, entscheidet sie sich 2019 dafür, ein Angebot der Komischen Oper in Berlin für den Chor anzunehmen, bei dem sie insgesamt zwei Jahre als Elternzeitvertretung mitwirkt. „Es war wirklich eine tolle Zeit und ich hatte viel Spaß auf der Bühne. Zum ersten Mal habe ich mit meinem Gesang ein regelmäßiges Einkommen verdient, ich habe das Theaterleben noch besser kennengelernt, weitere Bühnenerfahrung gesammelt und meine Stimme weiterentwickelt.“ Außerdem sei dieses Engagement im Hinblick auf die Corona-Pandemie ein Segen gewesen, denn sie war für diese Zeit abgesichert.

Im Juni 2021 kommt eine Anfrage vom Theater Vorpommern in Stralsund, ob sie im Stück „Die Lustige Witwe“ die Rolle der Hanna Glawari übernehmen könne. Da muss sie nicht lange überlegen, denn es sei „die perfekte Rolle“, die ihr außerdem bereits bekannt war. Im November gibt sie ihr Debüt. Ein weiterer Zufall und ein erfolgreiches Vorsingen bringen ihr im Frühjahr 2022 eine echte „Traumrolle“ in Stralsund ein – nämlich die der „Alcina“ in Händels gleichnamiger Märchenoper. „Herzzerreißend schöne Musik und die Rolle ist einfach ein Traum. Es ist schon toll, wenn man etwas singen darf, wo man genau sagen kann ‚Ja, das ist meins!'“, schwärmt sie noch heute.

Langeweile gibt es nicht
Der Beruf der freischaffenden Opernsängerin sei nicht so glamourös, wie sich das vielleicht so mancher vorstellt. Es gebe eben auch Zeiten, in denen man keine Angebote hat und sich mit diversen Jobs über Wasser halten muss. Mittlerweile habe sie aber gelernt, dass das völlig normal sei und es vielen anderen Künstlern auch so gehe. In dieser Branche müsse man vor allem flexibel sein – denn von heute auf morgen kann sich auch immer wieder eine Chance ergeben.
Aus dem Nichts erhält sie eines Tages erneut eine Anfrage für „Alcina“ – diesmal eine ganz neue Inszenierung in Rostock. „Da kommt dienstags der Anruf ‚Wir haben am Samstag Alcina-Premiere, Sängerin ist krank. Haben Sie gerade Zeit?'“ Zu diesem Zeitpunkt ist die Wahl-Berlinerin aus verschiedenen Gründen etwas ausgebrannt, kämpft mit Selbstzweifeln. Durch den Anruf wird sie völlig aus ihrem Trott gerissen. „Und da hat das Leben dann so ein Timing. Dann werden Körper und Geist wieder richtig aktiviert.“
Sie nimmt die Rolle an, regelt in kürzester Zeit alles, was zu regeln ist. Wie gut, dass sie für solche Fälle mittlerweile Unterstützung hat. „Auch, wenn sonst vieles ziemlich unglamourös ist, war das wirklich der Klischee-Moment, der dann doch mal eintritt. Ich habe meinen Agenten angerufen ‚Volker, ich hab Premiere, einspringen in Rostock, regel du dat!' Das war genau, wie man sich das vorstellt, wenn die Diva den Agenten anruft.“ Ein besonderer Moment, der ihr auch jetzt noch viel Freude bereitet.
Die Inszenierung ist völlig anders als ihr bekannt. Die Rezitative – die gesanglich gesprochenen Passagen – sind plötzlich auf Deutsch statt wie gewohnt auf Italienisch. Es kommen neue Arienteile hinzu. Viel Zeit für Proben gibt es nicht. Aber wahrscheinlich ist es genau das, was Antje Bornemeier zu diesem Zeitpunkt braucht. „Das war ein ziemlicher Boom“, erinnert sie sich. So auf die Bühne katapultiert zu werden und auf ganzer Linie abzuliefern habe ihr wieder vor Augen geführt, was sie leisten kann – dass die Bühne ihre Welt ist. „Dass ich das gemeistert habe, hat mich stolz gemacht!“, erinnert sie sich noch heute an das Gefühl hinter der Bühne, unmittelbar nach ihrem Auftritt. Ein Gefühl, das sie eher selten verspürt. Auch die lobende Kritik im Nachgang sei sehr wohltuend gewesen.

Zukunftsmusik
2024 ist Antje Bornemeier wieder in einer großen Rolle am Theater Vorpommern in Stralsund zu sehen. Am 16. März wird die Premiere von Mozarts großer Choroper „Idomeneo“ gefeiert, bei der die 35-Jährige die Rolle der Elettra singt – eine Aufgabe, auf die sie sich sehr freut und bei der sie wieder mit ihrer emotionalen Bandbreite begeistern kann.

Dass es diese Rollen jedoch nicht wie Sand am Meer gibt, weiß die Sängerin genau. Daher baut sie sich auf musikalischer Ebene weitere Standbeine auf – beispielsweise mit Stimmbildung. Ab und zu gibt es Projekte zusammen mit dem Vocalconsort Berlin oder es wird auch mal, wie im Juli 2023, ein besonderer Themenabend im Rahmen eines Konzerts mit Harfe präsentiert. Von der Opernarie bis „Strong Enough“ von Cher war hier alles dabei. „Meine musikalischen Wurzeln sind immer noch sehr präsent“, so die Sängerin, die nicht nur klassische Musik liebt, sondern auch Popmusik, Musical, Chansons und vieles mehr.
So besteht ihr Alltag als klassische Opernsängerin immer wieder aus neuen Abenteuern, aus Ungewissheit, aus Nervenkitzel. „Es ist ein Puzzleleben!“, sagt Antje Bornemeier, die trotz allem an ihrem Traum festhält und keinen Schritt bereut. „Es ist schon ein hartes Business. Man muss es wirklich lieben, um das alles in Kauf zu nehmen. Die Schraube muss immer ein bisschen locker bleiben!“

Aber mit jedem Auftritt wachse ihre Bekanntheit und dass man im Normalfall nicht zu den Großverdienern gehört, hindert sie nicht daran, die Menschen mit ihrer kraftvollen Stimme, ihrer ansteckenden Energie und ihrer mitreißenden Ausstrahlung zu unterhalten. „Ich bin einfach ein Bühnenmensch und mittlerweile kann ich sagen, ich kann, ich will, und ich bin gut!“

Kontakt: www.instagram.com/borntomeier
Fotos: Elchinger Musiktage, Peter van Heesen, Daniel Nartschick, Christina Giakoumelou, privat

Jacqueline Schlechtriem