Umweltschutz und Klimaneutralität sind heute zentrale Themen. Die EU plant ab 2035 gar ein vollständiges Verbot von Verbrennerfahrzeugen und setzt stattdessen auf reine Elektromobilität. Warum dies nicht der richtige Weg ist und welche Alternativen es bereits heute gibt, zeigten zwei bemerkenswerte Projekte im Rahmen des 24-Stunden-Rennens 2023 auf dem Nürburgring. Im Fokus stand vor allem ein E-Fuels-Projekt der rheinischen Unternehmerfamilie Griesemann, unterstützt von bekannten Piloten wie dem YouTube-Influencer Felix von der Laden und dem kultigen Rennfahrer, Unternehmer und RTL-TV-Experten Dirk Adorf aus Altenkirchen. Auch Musiklegende Smudo von der Stuttgarter Formation „Die Fantastischen Vier“ zeigte bei seinem 21. Rennstart, dass es nachhaltige Optionen neben dem klassischen Benzin und sogar dem typischen Fahrzeugbau gibt.
Der prägnante Slogan „Jeder lobt, was Nürburgring erprobt“, steht am Nürburgring für jeden gut sichtbar auf einem antiquarischen Schild zwischen historischem und neuem Fahrerlager. Diesem Geburtsmotto der einst im Jahr 1927 als „Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstraße“ eröffneten Eifelrennstrecke, haben sich auch zwei bekannte Unternehmer aus dem Kölner Raum verschrieben. Die Brüder Björn und Georg Griesemann.
Als Ergebnis langjähriger Forschung und Entwicklung der Experten ihres eigenen international tätigen Unternehmens sowie „befreundeter Partnerfirmen“ wie „Nordoel“ und „Chemie-Anlagenbau Chemnitz“ (C.A.C.), setzten die rennfahrenden Geschwister, in Zusammenarbeit mit dem Motorsportteam „Georg Teichmann Racing“ sowie der „Toyota GAZOO Racing Europe GmbH“ (TGR-E), einen turboaufgeladen, rund 450 PS starken Toyota GR Supra GT4 ein. Der Rennwagen wies dabei eine Besonderheit auf, die kein anderes Fahrzeug im über 130 Fahrzeuge großen Starterfeld mit dem schnellen Japaner teilen konnte: Der GT4-Rennwagen absolvierte das komplette Event mit einem speziellen Kraftstoffkonzept: einer zu 95% klimaneutralen E-Fuels-Lösung.
Unternehmerfamilie mit Benzin im Blut
Björn Griesemann (48), aufgewachsen im Kölner Vorgebirge, ist Geschäftsführer und CEO der „Griesemann Gruppe“ – einem Konzern mit mittlerweile 1600 Mitarbeitern an 40 Standorten in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, der 1975 von Vater Karl Peter Griesemann gegründet wurde. Es gehört zu den führenden und größten Ingenieurbüros im Bereich Engineering und Anlagentechnik – ein bedeutender Akteur im Industrieservice für die Prozess- und Energieindustrie, insbesondere in den Bereichen Petrochemie, Raffinerie, Feinchemie und Green Technology. Das Unternehmen ist unter anderem auf die Planung und Errichtung von Elektrolyseanlagen zur Wasserstoffherstellung, H2-Tankstellen, Trailerverladungen sowie die CO2-neutrale Herstellung von Kraftstoffen (SAF/Synfuels) spezialisiert.
Zudem ist der ältere von zwei Brüdern vor Jahren nicht nur beruflich in die Fußstapfen seines Vaters getreten, sondern auch in dessen größtes Hobby. Seit einigen Jahren ist er Präsident der „Kölner Funken Artillerie blau weiß von 1870 e. V.“, besser bekannt als die „Blauen Funken“, eine der ältesten und renommiertesten Kölner Karnevalsgesellschaften.
Georg Griesemann (42), sein jüngerer Bruder, leitet die Fluggesellschaft Quick Air Jet Charter GmbH, die ebenfalls zur Griesemann-Gruppe gehört und auf Krankentransporte spezialisiert ist. Er leitet innerhalb der Firmengruppe nicht nur die Fluggesellschaft, sondern auch eine Flugzeugwerft. Seit 30 Jahren ist er im Motorsport aktiv und verbessert sich kontinuierlich. Er begann seine Karriere im Yaris Cup im Rahmen der BeruTop10 und wechselte später zur VLN bei Bonk Racing. Nach einer berufsbedingten Pause kehrte er vor etwa zehn Jahren in den Motorsport zurück. In der Vergangenheit war er in verschiedenen Rollen und in vielen Teams beim 24-Stunden-Rennen tätig, darunter als Teamchef, Teammanager, Fahrzeugleiter und Mechaniker. Seine umfangreiche Erfahrung, insbesondere in der Einstellung und dem Setup von Autos, wird von anderen Fahrern sehr geschätzt.
Erfolgreiches Wochenende für die Griesemanns
Die Brüder Björn und Georg Griesemann, die sich den ikonischen japanisch-kölschen Rennwagen mit dem bekannten YouTube-Star Felix von der Laden und dem ehemaligen Altenkirchener BMW-Werksfahrer Dirk Adorf teilen, hatten ein bemerkenswertes Rennen. Dirk Adorf kommentierte sogar zweimal live für RTL eine Runde auf der Nordschleife aus dem Cockpit. Björn Griesemann betont stolz die Bedeutung der Medienreichweite der beiden Sportler für die Glaubwürdigkeit und die öffentliche Wahrnehmung und Akzeptanz ihres Projekts.
Die Teams von „Griesemann“ und „FourMotors“ findet man aber nicht in den normalen Boxenanlagen. Der Hintergrund ist jener, dass die acht unterirdischen Tanks des Nürburgrings, die die Boxenanlagen mit normalem „SuperPlus Racing Benzin“ versorgen, ihre Fahrzeuge nicht versorgen können. Stattdessen stehen die vier Autos der beiden Teams der Klasse für Alternative Antriebe (AT) in der ehemaligen Schikane vor den Boxen im Freien. Die in Zelten untergebrachten Teams werden von großen Tankwagen versorgt, die hinter Sicherheitspollern stehen. Der Tankwagen von Partner „Nordoel“ versorgt den Toyota mit einem E-Methanol-basierten Kraftstoff namens „Racing E-Fuel 98“. Dieser Treibstoff stammt aus dem Forschungsprojekt „DeCarTrans“ des Bundesverkehrsministeriums.
Wie die Gebrüder Griesemann betonen, unterstützt deren Firmengruppe die Hersteller beim Anlagenbau zur Produktion von Wasserstoff, der als Rohstoff für E-Fuels zum Einsatz kommt, bereits seit rund zehn Jahren. Aber auch mit einem Hightech-Gerät zur Elektrolyse. Dieses Engagement war maßgeblich für das Zustandekommen ihres ambitionierten Rennprojekts.
„Es ist großartig, dass wir den Sprit überhaupt bekommen. Da es derzeit noch begrenzte Mengen gibt, sind wir das einzige Auto, das aktuell mit diesem Sprit fährt. Es ist toll, dass Toyota und Nordoel uns dieses Vertrauen schenken“, sagt Björn Grieseman stolz. „Wir sind mit unserem E-Fuel-Projekt erfolgreich ins Ziel gekommen und konnten zeigen, dass dieser nachhaltige Kraftstoff genauso leistungsfähig wie herkömmliches Benzin ist. Nach 24 Stunden am Limit geht ein riesiger Dank an unsere Partner, ohne die dieser Start unmöglich gewesen wäre. In unserer Klasse lagen wir lange in Führung, kamen jedoch in den frühen Morgenstunden wegen einer Ölspur von der Strecke ab und konnten erst nach 30 Minuten Wartungszeit wieder losfahren“, erklärte Björn Griesemann.
Das Team hatte, abgesehen von einer Kollision im Training, ein relativ ruhiges Wochenende. Der einzige Zwischenfall im Rennen war ein Ausrutscher ins Kiesbett, der eine 30-minütige Reinigungspause inklusive Bremsbelagswechsel nach sich zog. Diese Ölspur hatte zuvor zwei Favoriten aus dem Rennen geworfen. Bis zu diesem Zeitpunkt führte der Griesemann-Supra die AT-Klasse an. Der Ausrutscher kostete den Klassensieg. Trotz dieses Zwischenfalls schafften es drei der vier Fahrzeuge der nachhaltigen Klasse dennoch in die Top 50 des Gesamtklassements. Im Endergebnis wurde die Startnummer 227 des Teams Griesemann auf Rang 46 von 136 gestarteten Fahrzeugen gewertet.
Der größte Erfolg des Wochenendes für die Brüder Griesemann war jedoch ihr Sieg im 200 Fahrzeuge starken Old- und Youngtimer-Feld der 32. Nürburgring 24h Classic. Im von BRSM vorbereiteten Ex-Edgar Dören „Porsche 911 RSR“ im legendären giftgrünen „Kuemmerling“-Design, siegten sie eindrucksvoll. „Gestern ist ein Traum beim 24h Classic in Erfüllung gegangen. Seit wir Rennen fahren, ist die 24h Classic immer das Rennen für uns gewesen“, sagte Björn Griesemann sichtlich stolz.
Zurück in die Zukunft?
Diese heute schon sehr klimafreundliche und bald auch komplett klimaneutrale Kraftstofflösung, markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung nachhaltigem Motorsport und der automobilen Zukunft. Sie zeigt, dass hohe Leistung und Umweltbewusstsein miteinander vereinbar sind. Die Brüder Griesemann und ihre Partner haben damit nicht nur einen Beitrag zur technischen Innovation geleistet, sondern auch ein starkes Zeichen für den Umweltschutz im Motorsport gesetzt.
Glaubt man den zahlreichen Experten und Ingenieuren aus dem Motorsport und hört auf die Stimmen wahrer Automobilfreunde, erscheint die heute von vielen europäischen Politikern propagierte Meinung, die Zukunft gehöre dem Elektroauto, als überholt. Ja, auch das Elektroauto hat seine Berechtigung – als kleiner Cityflitzer oder für Wenigfahrer. Doch in Bezug auf Langstreckentauglichkeit, die unzähligen infrastrukturellen Umbauten, die Entsorgungsproblematik der Batterien sowie die im Vergleich zu E-Fuels deutlich schlechtere Umweltbilanz, gibt es nur ehrliche Zukunftsaussichten.
So sagte kürzlich auch kein geringerer als Volkswagen-CEO Oliver Blume gegenüber den Medien: „Man muss die modernen E-Fuels-Treibstoffe als eine tragfähige Technologie verstehen, die sinnvoll ist. Gerade in Europa ist zuletzt vieles zerredet worden – auch aus mangelnder Fachkenntnis! Zu den Schwierigkeiten gehört derzeit, dass sich Investoren mit dem Bau von Produktionsanlagen für den synthetischen Kraftstoff einfach zurückhielten, auch wegen der kontroversen, oft ideologischen Diskussionen um die Technologie. Sollten Länder wie Deutschland politisch entscheiden, E-Fuels steuerlich zu bevorzugen und ihren Einsatz damit voranzutreiben, wird sich das schnell ändern.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Nürburgring als Test- und Prüfungsstrecke weiterhin ein Symbol für technologische Fortschritte und Pioniergeist bleibt. Der Slogan „Jeder lobt, was Nürburgring erprobt“ ist nicht nur eine nostalgische Erinnerung, sondern eine lebendige Realität, die in den Projekten und Innovationen von Enthusiasten wie den Brüdern Griesemann und ihren Partnern weiterlebt und neue Maßstäbe setzt. Diese Fortschritte werden hoffentlich bald ganz normal auch in den Fahrzeugen, die wir täglich fahren, wie selbstverständlich erfahrbar sein.
Sie wollen mehr über E-Fuels erfahren? Dann freuen Sie sich schon jetzt auf den zweiten Teil dieser Reportage in unserer Herbst/Winter-Ausgabe.
Text und Fotos: Roland Schäfges – www.myfoto24.eu