THW Mayen


Wenn der Alarm losgeht
Staubexplosion als Szenario einer spektakulären Rettungsaktion

Das vor einigen Jahren stillgelegte Raiffeisen-Waren-Zentrale-Gelände (RWZ) der RWZ Rhein-Main eG an der L96 außerhalb von Monreal verwandelte sich in den Schauplatz einer spektakulären Rettungsübung. Rettungskräfte der freiwilligen Feuerwehren aus der Verbandsgemeinde Vordereifel, das Technische Hilfswerk (THW) Mayen und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Ettringen stellten sich einem gefährlichen Szenario, das den Ernstfall möglichst realistisch widerspiegeln sollte.

Es hätte eine typisch jugendliche Mutprobe sein können – ein sogenannter „Lost Place“, ein verlassenes Gelände, das danach schreit, erkundet zu werden. Nur ein bisschen Zündeln, um die Dunkelheit zu vertreiben, nur ein bisschen Abenteuergeist – bis es plötzlich zu einer verheerenden Staubexplosion kommt. Dunkler Rauch, Verwirrung, Panik. Schreie hallen durch die verlassenen Hallen der ehemaligen Getreidesilos. Die Jugendlichen zwischen zwölf und vierzehn Jahren fliehen in alle Richtungen, doch Dunkelheit, Rauch und offene Schächte werden zum tödlichen Verhängnis. Einige von ihnen fallen in tiefe Gruben, andere werden von der Druckwelle verletzt. Chaos macht sich breit!

Für die Rettungskräfte wird dieser Moment zur Prüfung. Das Ziel: Die Rettung der Verletzten und eine schnelle Brandbekämpfung. „Es war uns wichtig, ein Szenario zu schaffen, das nicht nur realistisch ist, sondern auch die komplexen Herausforderungen verdeutlicht, die auf Einsatzkräfte in einem solchen Fall zukommen“, erklärt Sebastian Theisen, Übungsleiter und Feuerwehrmann aus Bermel. „Staubexplosionen sind in ihrer Wirkung oft verheerender, als man denkt. In einem engen, abgeschlossenen Raum kann sich der Druck explosionsartig ausbreiten, und die Folgen für die Menschen im Umfeld sind kaum kalkulierbar.“

Vorbereitung in Bermel, Einsatz in Monreal

Der Einsatz begann jedoch bereits Stunden vor dem eigentlichen „Notruf“. Am Morgen trafen sich die Einsatzkräfte in der Feuerwache von Bermel, um die Gerätschaften vorzustellen und letzte Vorbereitungen zu treffen. Mehr als 80 Einsatzkräfte waren beteiligt. Der zentrale Punkt der Vorbereitung war das Kennenlernen der Geräte und ihrer Einsatzmöglichkeiten. „Für uns als THW ist es enorm wichtig, dass wir wissen, was die Feuerwehr an Material und Ausrüstung dabeihat, und umgekehrt“, erklärt der 32-jährige Kai Kreusch, stellvertretender Zugführer des THW Mayen. „Nur so können wir im Ernstfall wirklich effektiv zusammenarbeiten.“

Um Punkt 13 Uhr setzte sich der Fahrzeugkonvoi zum RWZ-Gelände in Bewegung. Die Herausforderung: Keiner der Feuerwehrleute wusste genau, was sie dort erwartet. „Wir wollten echte Reaktionen, eine Art Überraschungseffekt – so, wie es eben auch im echten Leben ist“, beschreibt Tim Hepp, stellvertretender Wehrleiter der Verbandsgemeinde Vordereifel.

Chaos, Rauch und präzise Aufgabenverteilung

Die Einsatzkräfte treffen auf das weitläufige und unübersichtliche Gelände. Eine erste Erkundung muss zeigen, wo sich die vermissten Jugendlichen befinden könnten und wie groß das Ausmaß des Schadens ist. „Es war eine Herausforderung, sofort eine Struktur in das Chaos zu bringen“, erklärt Hepp. Es dauerte nicht lange, bis die Einsatzzentrale drei klare Abschnitte definierte: Abschnitt 1 kümmert sich um Brandbekämpfung und Menschenrettung, Abschnitt 2 um die Wasserversorgung und Abschnitt 3 um die medizinische Versorgung der Verletzten.

„Wir mussten schnell entscheiden, welche Ressourcen wo eingesetzt werden. Diese Struktur festzulegen, war entscheidend für den Erfolg der Übung“, betont Hepp. Auch das THW Mayen, die mit 21 Personen am Einsatz teilnahmen, spielte eine entscheidende Rolle in der Führungsstruktur. Der MTW, ein ausgebauter „Renault Master“, ausgestattet mit modernen Führungsmitteln wie Computern zur Lagedarstellung, half dabei, die Abläufe zu koordinieren, eine Dispo zu erstellen und Rückmeldungen zu sammeln. „Es geht darum, dass jede Maßnahme koordiniert und zielgerichtet durchgeführt wird“, so der mit 15 Jahren Dienst erfahrene Kai Kreusch.

Atemschutzgeräteträger im dunklen Keller

Der Kellerbereich des ehemaligen Silos war die Hauptbühne für die Menschenrettung. Der Eingang ist eng, die Sichtverhältnisse aufgrund des künstlich durch eine Nebelmaschine erzeugten Rauchs gleich null. Die Atemschutzgeräteträger müssen sich aufeinander verlassen – eine Übung, die die Teamfähigkeit und die Effizienz jedes Einzelnen auf die Probe stellt. „Es war stockfinster, absolut dunkel da unten und der Rauch war so dicht, dass du nicht einmal deine Hand vor Augen gesehen hast“, erinnert sich eine Atemschutzträgerin der Feuerwehr nach dem Einsatz. „Der Weg durch das Gebäude war kompliziert – Treppen, enge Schächte, und du weißt nie, was dich hinter der nächsten Tür erwartet.“ Auch in diesem Teil der Übung wurde bewusst Chaos simuliert: Die Jugendlichen waren nicht leicht zu finden, sie hatten sich in verschiedenen Ecken des Kellers versteckt, einige waren durch die „Explosion“ verletzt worden.

Logistisches Meisterstück – die Wasserversorgung

Parallel zur Menschenrettung wurde die Wasserversorgung aufgebaut. Die Elz, ein kleiner Fluss, liegt etwa 400 Meter entfernt und deutlich tiefer als das ehemalige RWZ-Gelände. Um Wasser zur Einsatzstelle zu bringen, musste eine Schlauchleitung verlegt werden – und das quer über die stark befahrene L96. „Die Schlauchbrücken wären hier problematisch gewesen, daher haben wir uns entschieden, das Abwasserrohr unter der Straße zu nutzen“, erläutert Sebastian Theisen. „Es ist keine alltägliche Lösung, aber solche Herausforderungen gehören zum Feuerwehralltag dazu. Genau das haben wir hier geübt.“ Zusätzlich wurde eine Verstärkerpumpe eingesetzt, um das Wasser aus der Elz bis zum Einsatzort zu transportieren. „Es war ein wirklich steiles Stück und das Wasser musste kontinuierlich fließen, um die Brandbekämpfung sicherzustellen. Das war eine richtige Herausforderung“, so Theisen weiter.

Die Rolle des THW Mayen

Während die Feuerwehrleute im Gebäude versuchten, die Vermissten zu retten, kümmerte sich das THW um die technische Unterstützung. „Unsere Bergungsgruppe hatte die Aufgabe, die Jugendlichen aus Schächten zu retten und zu den Verletzten zu gelangen, die in besonders schwer zugänglichen Bereichen lagen“, erklärt Kai Kreusch. Die Höhenrettungsmittel des THW erwiesen sich dabei als unverzichtbar, insbesondere als eine Puppe, die einen bewusstlosen Jugendlichen darstellen sollte, aus einem drei Meter tiefen Schacht geborgen werden musste. Die Retter arbeiteten mit Seilwinden und speziellen Sicherungstechniken, um die Bergung sicher und schonend durchzuführen. Ein weiterer zentraler Beitrag des THW war der Aufbau eines Verletztensammelplatzes. Hierzu wurde ein Zelt mit Feldbetten eingerichtet, das die Erstversorgung der Patienten ermöglichte.

Eine Übung, die fordert und verbindet

Nach rund zwei arbeitsintensiven Stunden war die Übung vorbei. Die Jugendlichen waren gerettet, die „verstorbenen“ Puppen
geborgen, der Rauch hatte sich verzogen, und die Übung ging in die Abschlussbesprechung über. Sebastian Theisens Bilanz: „Das Ziel war, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Einsatzkräften zu stärken – und das ist uns gelungen. Es war eine Übung mit vielen Herausforderungen, aber genau das wollten wir. Die Rettungskräfte sollten an ihre Grenzen gehen, um zu sehen, wo wir noch besser werden können.“

Tim Hepp fügt hinzu: „Besonders stolz sind wir auf die Teamarbeit, die wir heute gesehen haben. Egal ob Feuerwehr, THW oder DRK – alle haben an einem Strang gezogen. Das ist genau das, was wir im Ernstfall brauchen.“ Auch Kai Kreusch vom THW Mayen war ebenfalls zufrieden: „Es war eine einmalige Gelegenheit zu zeigen, wozu wir in der Lage sind. Wir konnten sowohl in der technischen Rettung als auch in der Betreuung der Verletzten zeigen, dass wir ein wichtiger Bestandteil der Rettungskette sind.“ Für die Jugendlichen der Jugendfeuerwehr war es ebenfalls ein besonderes Erlebnis. Helena blickt lächelnd zurück: „Es hat mir riesigen Spaß gemacht, und es war auch ein bisschen gruselig. Aber ich habe viel gelernt und will auf jeden Fall später in die aktive Feuerwehr.“ Freundin Lea ergänzt: „Ich denke, nach dieser Übung weiß jeder, dass solche alten Gebäude gefährlich sein können. Das sollte man respektieren und sich nicht leichtfertig in Gefahr begeben.“

Am Ende bleibt für alle die wichtige Erkenntnis, dass eine gute Vorbereitung und eine enge Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg sind. Die Großübung in Monreal hat gezeigt, dass die Rettungskräfte der Verbandsgemeinde Vordereifel und des THW Mayen für den Ernstfall gut gewappnet sind. Ob Feuerwehr, THW oder DRK – alle sind bereit, wenn es darauf ankommt. Und sie haben bewiesen, dass sie nicht nur das technische Wissen, sondern auch den Zusammenhalt besitzen, um jede Herausforderung zu meistern.

Text und Fotos: Roland Schäfges – www.myfoto24.eu