Hans Herzog


Mord ist kein Gegenstand der Unterhaltung
Wahllimburger Hans Herzog engagiert sich auch mit 93 Jahren noch für andere

Nach einer kurzen Mittagsruhe sitzt Hans Herzog mit einem kleinen bestickten Kissen im Rücken im Sessel, der in seinem Arbeitszimmer direkt neben dem Schreibtisch steht. Mit wachen Augen blickt er auf seinen Gesprächspartner, hört bei den Fragen zu seinem Leben aufmerksam zu und antwortet in klaren Sätzen auf genau die Frage, lässt nichts offen, schmückt aber auch nichts aus. Er konzentriert sich eben auf das Wesentliche, wie wohl schon sein ganzes Leben lang.

Hans Herzog wurde 1931 geboren und ist damit schon 93 Jahre alt. Den Hinweis auf dieses biblische Alter nimmt er schmunzelnd und auch ein wenig wohlwollend zur Kenntnis, lässt ihn aber unkommentiert. Allerdings weist er auf das eine oder andere Zwicken in den Gelenken und eine gut verlaufene Operation des grauen Stars hin. Akzeptabel in diesem Alter. Man kann nur hoffen, selbst einmal in diesem Alter über nicht mehr berichten oder gar klagen zu können.

Geboren wurde Hans Herzog im Sternzeichen „Stier“ auf dem Schloss in Marburg. Sein Vater war dort Archivar. Später studierte er Jura in Marburg und Heidelberg. Sehr früh war für ihn die spätere Berufswahl klar: „Ich wollte nie Rechtsanwalt werden, sondern immer Richter.“ Er habe früh einen Sinn für Gerechtigkeit entwickelt und hatte zudem Vorbilder in der Familie. Unter anderem war sein Onkel Richter gewesen.

Gern wäre er auch nach dem Studium in Marburg geblieben. Allerdings gab es in seiner Heimatstadt keine Stelle für ihn. Aus diesem Grund ging er nach Limburg zum Landgericht. Die Stadt kannte er bereits aufgrund früherer Besuche.
1962 wurde er am Landgericht in Limburg auf Lebenszeit eingestellt. 1964 kam seine Familie nach. Neben seiner Frau gehörten dazu eine Tochter und zwei Söhne. Seit vielen Jahrzehnten wohnt er nun schon auf dem Schafsberg in der Nachbarschaft zum Krankenhaus und der Tilemannschule.

Seit den frühen 60er Jahren gehörte Hans Herzog fast schon zum Stadtbild. Schnellen Schrittes auf dem Weg zur Arbeit im Gericht an der Schiede oder nach einem Treffen mit Freunden in der Stadt, in der Weiersteinstraße auf dem Weg nach Hause.
Auch beruflich lief es gut für ihn. Er wurde zum Landgerichtsdirektor befördert. „Heute nennt man diese Funktion Vorsitzender Richter“, fügt er ergänzend hinzu. Seit 1987 war er zudem Vizepräsident des Landgerichts.

Sein inhaltlicher, beruflicher Schwerpunkt war das Jugendstrafrecht. Im Rahmen der Gesetze habe man in diesem Bereich mehr Gestaltungsmöglichkeiten gehabt. Man musste nicht immer gleich zu Haftstrafen verurteilen, sondern konnte auch zum Beispiel mit Auflagen reagieren. Vor allem dann, so Hans Herzog, wenn es eine gute Prognose gab. Er wollte nie einem jungen Menschen die Zukunft verbauen, sondern ihm lieber die Aussicht aufzeigen, dass auch aus ihm noch etwas werden könne.
Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern seien für ihn besonders herausfordernd gewesen. Deren Aufarbeitung bis zu einem Urteil seien jedoch jeden Aufwand wert gewesen.

Nachdem er als Richter auch für Mordfälle zuständig gewesen sei, war er zu dem Entschluss gekommen, sich keine „Mordfilme“ mehr im Fernsehen anzusehen. „Mord ist für mich kein Gegenstand der Unterhaltung.“

Am 31. Mai 1996 schied Hans Herzog mit Vollendung seines 65. Lebensjahrs aus dem Staatsdienst aus. Mit den Worten: „Ich habe meinen Beruf sehr gern ausgeübt, hatte aber auch kein Problem damit aufzuhören“, blickt er auf diesen Tag zurück.
Insbesondere nach der Pensionierung engagierte sich der gläubige Christ in der evangelischen Kirche. Jahrzehntelang war er Mitglied des Dekanatsvorstands, zunächst als Vorsitzender, später als stellvertretender Vorsitzender. Außerdem war er nach seiner Pensionierung Vorsitzender des Vorstands der Diakoniestation Brechen. Für seine mehr als 25-jährige ehrenamtliche Tätigkeit hat er das Kronenkreuz erhalten.

Nach allen Erfahrungen, die Hans Herzog im Gerichtssaal des Landgerichts Limburg gemacht hatte, war es für ihn nur logisch, sich als Gründungsmitglied des Vereins Opferhilfe Limburg-Weilburg zu engagieren. Der Verein ist eine professionelle Anlaufstelle für Personen, die Opfer einer Straftat geworden sind.

Sein soziales Engagement zeigt sich auch an anderer Stelle. Seit mehr als 50 Jahren ist er Mitglied im Lions Club Diez, dessen Gründungsmitglied er ist. Inhaltlicher Schwerpunkt des Clubs ist die Hilfe für andere Menschen. Sicher ist es kein Zufall, dass sich der Lions Club Diez insbesondere die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen auf die Fahnen geschrieben hat.
Heute, mit 93 Jahren, liest er noch viel, freut sich auf die Besuche seiner Kinder und die Treffen mit seinen Lions-Freunden, geht noch selbst einkaufen, hilft ein wenig im Haushalt und macht, wie er selbst sagt, „noch ein bisschen Gartenarbeit“. Nur mit dem Tanzen gehe es nicht mehr so gut wie früher.

Hans Herzog ist ein großartiges Beispiel für berufliche Kompetenz, privates und kirchliches Engagement und eine feste Verbundenheit in der Gesellschaft und seiner Stadt. Bis ins hohe, fast schon biblische Alter.

Fotos: Christof Henninger

Text: Klaus-Peter Kreß