Mitten im Herzen der Eifel, nur einen Steinwurf vom legendären Nürburgring entfernt, befindet sich die Heimat eines der heute erfolgreichsten GT3-Rennteams der Welt: Manthey Racing. Hier, im ländlichen Meuspath, steht nicht nur eine Werkstatt. Nein, im Schatten der Nürburg entstand im Laufe der Jahre nicht nur eine großflächige Denkfabrik mit mehreren hochmodernen Gebäuden, sondern auch eine ikonische Kultmarke für Motorsport-Enthusiasten. Gegründet 1996 noch in Rheinbreitbach von der Rennlegende, dem zweimaligem DTM-Vizemeister Olaf Manthey, einem der charismatischsten Figuren des Motorsports, hat sich das einst kleine Team im Laufe der Jahre von einem privaten Porsche-Cup und DTM-Mercedes-Kundenteam zu einem sportlich sehr erfolgreichen Vorreiter in der Welt der GT-Fahrzeuge und zu einer 51%-High-Performance-Tochter der Porsche AG entwickelt.
Manthey, wie man sich seit 2021 nennt, steht heute als Synonym für Erfolg, Präzision und vor allem Teamgeist. Das Unternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern ist mittlerweile in fünf Geschäftstätigkeiten unterteilt: Racing, Performance, Engineering, Services und Experiences. Es ist der Mix aus unbändiger Leidenschaft für den Motorsport, jahrzehntelanger Erfahrung und einer unerschütterlichen Vision, die Manthey zur Spitze geführt haben – sieben Gesamtsiege beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring oder die DTM-Gesamtsiege in der Team- und Fahrerwertung des Jahres 2023 sind nur die prominentesten Beispiele einer langen Erfolgsbilanz. Hinter den Kulissen jedoch läuft eine logistische Maschinerie, die die Grundlage für diese Erfolge bildet.
Die Geschichte der Firma begann, als Olaf Manthey, der 1993 seine Rennkarriere offiziell beendete, die Vision hatte, Porsche-Fahrzeuge zu verbessern und diese an die Spitze der Motorsportwelt zu bringen. „Die Nordschleife ist ein Biest, das es zu bändigen gilt“, sagte Manthey einmal in einem Interview. Dieses Biest zu zähmen, wurde sein Lebenswerk. Schon 2006 gelang Manthey der erste Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring, und es folgten Triumphe in den Jahren 2007, 2008 und 2009. Vier Gesamtsiege in Folge – eine Leistung, die das Team und seine heute „Grello“ genannten Autos in die Annalen des Motorsports eintrug.
Mit der Übernahme von 51 % der Firmenanteile durch die Porsche AG im Dezember 2013 wurde der Grundstein für eine noch engere Verbindung zwischen Manthey und Porsche gelegt. Martin und Nicolas Raeder, die Brüder, die das Unternehmen heute leiten und die Nachfolger des Teamgründers sind, sprechen von einer „strategischen Partnerschaft, die uns alle Möglichkeiten bietet, noch besser zu werden.“ Manthey ist heute eine Verschmelzung aus handwerklicher Präzision und hochmoderner Technologie. Das Mission Statement „Closer to perfection“ ist dabei nicht nur ein Slogan, sondern eine Philosophie, die jeden Winkel des Unternehmens prägt.
Mantheys Kapitän der Logistik
Patrick Arkenau, Jahrgang 1987, ist eine der treibenden Kräfte hinter dem Erfolg von Manthey Racing. Geboren in Lohne bei Oldenburg, war er schon als Kind Teil der Motorsportwelt. Sein Vater, selbst Rennfahrer und später Teamchef, nahm ihn von klein auf mit zu den Rennen. „Ich bin praktisch auf den Rennstrecken Europas groß geworden“, erzählt Arkenau in der stillvollen Manthey-Lounge über der Boxengasse des Nürburgrings. Seit 2014 ist er bei Manthey und mittlerweile zum „Geschäftsbereichsleiter Renneinsätze“ aufgestiegen. „Der Motorsport hat mich immer fasziniert. Das Zusammenspiel von Mensch, Maschine und Strategie – das ist etwas, das ich liebe“, erklärt er. Und das merkt man, wenn er über seine Arbeit spricht. Sein Wissen ist beeindruckend, seine Begeisterung ansteckend. „Mein Vater fuhr damals im Renault Clio bzw. Megane Cup, und ich erinnere mich, wie ich stundenlang in der Box stand und zuschaute, wie die Mechaniker an den Autos arbeiteten. Das war für mich wie Magie, und ich wusste, dass ich eines Tages auch ein Teil dieser Magie sein wollte.“ Heute leitet er den gesamten Geschäftsbereich der Renneinsätze und trägt die Verantwortung für das, was auf und neben der Rennstrecke geschieht.
Wenn die Zuschauer bei einem Rennen an der Strecke stehen, dann sehen sie den Glanz des Motorsports – laute Motoren, präzise Boxenstopps und jubelnde Fahrer nach dem Rennen. Doch was viele nicht sehen, ist die logistische Maschinerie, die das ermöglicht. Logistik ist das Rückgrat von Manthey – und sie beginnt lange, bevor die Rennwagen überhaupt die Strecke berühren. „Unsere Vorbereitung startet schon im Winter“, erklärt Arkenau. In der Hochphase der Planungen sitzen die Gruppenleiter für Mechanik, Logistik, Marketing und Teamorganisation zusammen und diskutieren jedes noch so kleine Detail. Jede Entscheidung basiert auf Analysen und Feedback aus der vergangenen Saison, und alles wird dokumentiert und geprüft. „Ziel ist immer, in jeder Saison besser zu werden.“
Wenn zwei 40-Tonner zum Leben erwachen
Ein Herzstück der Logistik ist der Materialtransport – eine wahre Mammutaufgabe. Von Reifenbestellungen über Verbrauchsmaterialien wie Öle, Fette und Reinigungsmittel bis hin zu jeder einzelnen Schraube – nichts darf dem Zufall überlassen werden. „Wir sprechen hier von zehntausenden Dingen, die bestellt und organisiert werden müssen“, so Arkenau. Jeder Kabelbinder, jedes Stück Tape und jede Komponente des Fahrzeugs muss rechtzeitig am Einsatzort sein. „Wir reisen zu einem DTM-Rennen in der Regel mit zwei 40-Tonnen-Lkws und einem 7,5-Tonner.“ Diese Lkws sind nicht nur einfach beladen – sie sind regelrechte Schatzkammern, gefüllt mit allem, was das Team für ein Rennwochenende braucht: Ersatzteile, Werkzeuge, Verpflegung, Technik und natürlich die Fahrzeuge selbst. Alles wird in speziellen Cases transportiert, damit nichts kaputt geht, denn in einer Welt, in der Sekunden über Sieg und Niederlage entscheiden, sind solche Vorkehrungen essenziell.
Ein Rennen am Nürburgring ist für Manthey immer etwas Besonderes – schließlich ist der „Ring“ das Zuhause des Teams. Doch auch hier sind es die logistischen Details, die über Erfolg entscheiden. Der Zeitplan ist eng: „Innerhalb von etwa acht Stunden müssen 95 Prozent des Aufbaus abgeschlossen sein. „Wir planen alles in einem CAD-Programm. Jede Stellwand, jedes Regal hat seinen festen Platz. Es ist wie ein großes Puzzle, das wir jedes Mal neu zusammensetzen“, erläutert der 37-jährige Niedersachse. Nach besagten acht Stunden steht in der Regel die Box fürs Rennen bereit. Ein besonderes Highlight sind die sogenannten Kommandostände. „Das ist das Herzstück unserer Kommunikation“, erzählt Arkenau. „Hier sitzen der Teamchef, der Teammanager, der Renningenieur und der Performance-Ingenieur. Von hier überwachen wir das Rennen und Treffen strategische Entscheidungen.“ Die Boxen sind dabei mit einem eigenen Netzwerk verbunden. „Diese moderne IT-Infrastruktur ist entscheidend, um sicherzustellen, dass wir auf jede Situation schnell reagieren können.“
Die Nürburgring-Sondergenehmigung
Am Nürburgring gibt es eine besondere Ausnahme, die Manthey nutzen darf: Die GT3-Boliden werden auf eigener Achse über die B258 direkt in die Box geliefert. „Wir haben eine Sondergenehmigung, die es uns erlaubt, die Autos in einer Kolonne über öffentliche Straßen ins Fahrerlager zu bringen“, erklärt Arkenau. „Das macht die Logistik deutlich einfacher und spart uns Zeit.“ Es ist eine dieser Kleinigkeiten, die zeigen, wie stark das Team mit der Region verwoben ist – eine Beziehung, die auf Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung basiert.
Auch die Reiseplanung inklusive der Organisation der Unterkünfte, Verpflegung und Anreise des Teams ist ein logistischer Kraftakt und eine weitere wichtige Komponente in der Planung. Zwischen 18 und 22 Personen reisen zu den DTM-Rennen, darunter Mechaniker, Ingenieure, das Presseteam oder die Fahrer. „Wir haben eine Einzelzimmer-Policy“, erklärt Arkenau. „Das ist nicht selbstverständlich im Motorsport, aber wir haben festgestellt, dass es die Leistungsfähigkeit enorm steigert, wenn die Mitarbeiter ihre Privatsphäre haben.“
„Das Essen ist ebenfalls ein enorm wichtiger Punkt“, betont Arkenau. „Das mag banal klingen, aber die Stimmung im Team hängt maßgeblich davon ab, dass das Essen schmeckt und abwechslungsreich ist.“ Die Verpflegung wird deshalb minutiös geplant und abgestimmt. Arkenau erinnert sich an eine lustige, wie prägende Begebenheit: „Einmal hatten wir in einem südlichen Land ein Problem mit der Hotelbuchung. Am Ende standen wir dort ohne gebuchte Zimmer – mitten im Nirgendwo. Die Crew musste improvisieren und übernachtete schließlich in den LKWs. Wir haben dann Pizza auf der Motorhaube eines der Rennautos gegessen – das Auto auf halber Höhe auf der Laderampe, da die Hydraulik versagte. Es sind solche Momente, die das Team zusammenschweißen.“
Am Ende eines Rennwochenendes sieht die Welt meist nur das sportliche Endergebnis: Was jedoch oft nicht bemerkt oder gewürdigt wird, ist die komplexe Logistik dahinter, welche Erfolge erst möglich macht. „Motorsport ist Teamarbeit in ihrer reinsten Form und jedes Mitglied des Teams spielt eine unverzichtbare Rolle“, resümiert Arkenau. „Jeder Einzelne trägt zum Erfolg bei, egal ob er die Reifen wechselt, das Fahrzeug abstimmt oder den Boden in der Box verlegt. Nur wenn alles reibungslos ineinandergreift, können wir unser Ziel erreichen: Siege einzufahren und dabei stets ein bisschen näher an die Perfektion heranzukommen.“