Wildpark Weilburg


Mehr als 500 Jahre Wildpark „Tiergarten Limburg“
Vom Wisent bis zur Ameise – ein Refugium für Mensch und Natur

Ein Teil der Jagdgesellschaft hatte gerade den kleinen Imbiss beendet. Auf Einladung des Grafen Albrecht zu Nassau-Weilburg und Saarbrücken-Ottweiler hatte sie schon einige Tage im Weilburger Schloss des Adeligen verbracht und freute sich schon auf die nun anstehende Jagd. Sie bestiegen die bereitgestellten Pferde und ritten zum nicht weit entfernten Wildpark, den sich der Graf 1584 als „Jagdspielplatz des Adels“ einrichten ließ. Vor Ort trafen sie auf weitere Mitglieder der Jagdgesellschaft, die in Zelten auf dem Gelände übernachtet hatten. Alle freuten sich auf die bevorstehende Abwechslung und das dabei erlegte Wild, das nach der Jagd seinen Weg in die Schlossküche und danach in die Mägen der Jagdteilnehmer finden sollte.

Auf dem Gelände des damaligen Wildparks mit seinen Anfängen im 16. Jahrhundert wird schon lange nicht mehr gejagt. Im besten Fall noch nach einem schönen Fotomotiv. Nach einer durchaus wechselvollen Geschichte ist das Gelände seit 55 Jahren ein Refugium für heimische Tierarten, zahllose Baum- und Straucharten, vor allem aber für Menschen aller Altersgruppen, die Fauna und Flora zwar gepflegt, aber naturbelassen und durchaus ursprünglich erleben wollen und ihr Wissen über all dies erweitern möchten.

Mehr als fünf Jahrhunderte Wildparkgeschichte

Jürgen Stroh sitzt an diesem sonnigen Tag am Schreibtisch in seinem Büro im Hessischen Forstamt Weilburg. Neben ihm liegt auf einer Decke sein Hund, der jeden Besucher freudig begrüßt und sich gerne kraulen lässt. Stroh ist Forstoberamtsrat, in der Funktion als „Bereichsleiter Dienstleistungen und Hoheit“. Er muss keinen Blick auf Notizen oder in seinen Computer werfen, um ausführlich und kenntnisreich über den Wildpark mit seiner weit über 500-jährigen Geschichte zu erzählen.

Der Wildpark Weilburg wurde 1584 von Graf Albrecht zu Nassau-Weilburg als Jagd- und Küchenpark gegründet. Ursprünglich umfasste er 130 Hektar, und Wild wurde teils aus dem Ausland importiert. Im 17. Jahrhundert erweiterte Graf Johann Ernst den Park mit Alleen, Schneisen und Fischteichen. Später ersetzte eine Steinmauer den Holzzaun. Nach dem Umzug des Fürsten nach Wiesbaden im Jahr 1816 endete die ursprüngliche Nutzung. Während des Zweiten Weltkriegs diente das Gelände als Treibstofflager, danach wurde es zeitweise von US-Offizieren als Jagdgebiet genutzt. Heute ist es Staatsforst, und ein Abschnitt des Jakobswegs führt durch den Park.

Löwen und Tiger in Weilburg?

Ende der 1950er Jahre plante der Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek einen 300 Hektar großen Zoo im Wildpark, in dem exotische Tiere wie Löwen, Elefanten und Kängurus frei leben sollten. Unterstützt wurde das Projekt von dem hessischen Politiker Albert Wagner, der sich wirtschaftliche Vorteile für die Region erhoffte. Die geschätzten Kosten betrugen 6,5 Millionen DM. Das Vorhaben wurde jedoch nicht realisiert – sehr zur Erleichterung des heutigen Forstamts, das es als Fehlentscheidung betrachtet. Wagner trägt seither den Spitznamen „Tiger von Fürfurt“.

Eröffnung des Wildparks 1970

Die Entscheidung für den Wildpark in seiner heutigen Form fiel 1969. Am 2. November 1970 wurde der Wildpark „Tiergarten Weilburg“ eröffnet. Hessens Landeskonservator Professor Dr. Gottfried Kiesow sagte bei der Eröffnung: „Er soll nicht mehr dem fürstlichen Jagdvergnügen, sondern der Freude aller Menschen an Landschaft und Tierwelt dienen.“ Eine Vorgabe, die, um einige weitere Aspekte ergänzt, auch heute noch für die Verantwortlichen gilt.
1971 wurde die „Zweckgemeinschaft Wildpark-Tiergarten Weilburg an der Lahn“ von der Forstverwaltung, dem Land Hessen und dem Oberlahnkreis gegründet. 1974 stieß auch die Stadt Weilburg dazu. In den Statuten der Zweckgemeinschaft heißt es: Zweck ist es, „einen den landschaftlichen Verhältnissen sich anpassenden Wildpark auszubauen und zu unterhalten, mit dem Ziel, der Erholung, der Förderung des Fremdenverkehrs und der Wissenschaft zu dienen. Deshalb gibt es zum Beispiel wildbiologische Untersuchungsprogramme und zahlreiche Examensarbeiten in Kooperation mit der Universität Gießen.
Aktuell beläuft sich der Tierbestand auf rund 200 Einzeltiere. In den rund 50 Jahren seines Bestehens kam es zu etwa 2400 Tiergeburten. Alle Tiere, die in Weilburg zu bewundern sind, waren oder sind in Europa heimisch. Neben dem schon ursprünglichen Bewohnern des Wildparks, dem Damwild, gibt es unter anderem seit 1998 Elche – die größten Hirsche der Welt. Die Elchschaufeln werden bis zu zwei Meter breit. Das Gehege des Damwilds kann von den Besuchern durchwandert werden. Hier ist ein direkter Kontakt zu den Tieren möglich. Daneben können auch Wisente bewundert werden. Sie sind die größten und schwersten Landsäugetiere Europas.

Braunbären und informative Lehrpfade

Besonders stolz sind die Verantwortlichen des Tierparks auf die beiden Braunbären. Diese waren seit 1835 in Deutschland ausgestorben. Für Steve und Tim wurde in Weilburg ein 11.000 Quadratmeter großes Gehege angelegt. Sie sind Findelkinder und kamen 2009 aus der Weilburger Partnerstadt Kezmarok (Hohe Tatra) in der Slowakei.

Die gesamten Besichtigungsmöglichkeiten gehen weit über die Tierwelt hinaus. Allein schon die Bruchsteinmauer aus dem Jahr 1731 ist einen Besuch wert. Sie ist aus Diabas, einem grünlich gefärbten basaltischen Gestein und Schalstein, einem vulkanischen Gestein zusammengefügt und verleiht dem Wildpark ein ganz besonderes Erscheinungsbild. Rund 30.000 Euro kostet die ständig notwendige Sanierung jährlich. Wie Jürgen Stroh weiß, ist die Mauer nicht nur ein Bauwerk, sondern auch Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere.
Auf verschiedenen Lehrpfaden mit zahlreichen Infotafeln können sich die Besucher oft ganz neue Welten erschließen. Der 2004 errichtete Ameisen-Lehrpfad mit seinen zehn Stationen und 20 Lehrtafeln ist bestens geeignet, um naturkundlich interessierten Menschen die faszinierende Welt der Ameisen näher zu bringen.

1992/93 wurde der Pilz-Lehrpfad angelegt. Zwölf Infotafeln bieten umfangreiche Informationen auf wissenschaftlicher Basis. Es gibt allein 120 Holz bewohnende Pilzarten. Der Lehrpfad zeigt die Pilze aus einer ganz neuen Perspektive und lässt ihre Bedeutung für viele Naturkreisläufe erkennen.

Großen Wert legt der Wildpark auch auf den Erhalt der Waldbestände und der mächtigen Solitärbäume. Ältester „Bewohner“ ist eine rund 500 Jahre alte Eiche. Die großräumigen und reichlich strukturierten Waldbestände, so Jürgen Stroh, sind für die Region einmalig. Nach der letzten Eiszeit gab es in Deutschland noch 65 Baum- und Straucharten. Sie sind alle im Wildpark zu sehen. Insgesamt ein wertvolles Arboretum, also eine Sammlung verschiedener, lebender Bäume und Sträucher.
Ziel des Wildparks ist die Erhaltung der Artenvielfalt und die Menschen mit der Natur vertraut zu machen. Hierfür engagieren sich alle Beschäftigten und die Verantwortlichen des Wildparks seit vielen Jahren. Auch viel Geld wurde hierfür bis heute investiert.

Über vier Millionen Besucher

2010 wurde nach zweijährigem Umbau und einer Modernisierung aus dem ehemaligen Forsthaus ein Kindergarten. Im Außenbereich gibt es einen Streichelzoo.
Geplant ist zudem noch ein Schulbauernhof – unter anderem für agrarpädagogische Angebote. „So lernen die Kinder, dass Kühe nicht lila sind und wie Milch in die Tüte kommt“, sagt Jürgen Stroh schmunzelnd. Bereits heute kommen rund 1000 Schülerinnen und Schüler pro Jahr zu den etwa 100 Veranstaltungen. Neben Ställen und Gehegen bietet der Wildpark einen Kinderspielplatz, ein Gasthaus, das Dillhauser Bauernhaus und vier Schutzhütten.

Im Laufe der Jahre hat sich der Wildpark in Weilburg zu einem sehr beliebten Ausflugsziel im Landkreis entwickelt. Fast vier Millionen Besucher konnte der Wildpark seit seiner Gründung begrüßen – 130.000 bis 150.000 Besucher pro Jahr. Einen Besucherrekord gab es 2020 während der Corona-Pandemie. Fast 151.000 Menschen fanden den Weg in dieses wunderschöne Stück lebender Natur.

Text: Klaus-Peter Kreß I Fotos: Dr. Siegmar Bergfeld, Hessenforst, stock.adobe.com