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Der Bad Camberger Walter Eichhorn zieht in die 
„Hall of Fame“ / Ein Oskar für sein Lebenswerk.

Warum er fliegt, kann Walter Eichhorn nicht sagen. Nur, dass ihm was fehlen würde, wenn er’s nicht täte. Mit Angst vorm 
Fliegen hat er sich noch nie auseinandergesetzt. Auch jetzt, 
mit 82 Jahren, nicht. Warum auch? Bei 21.000 Stunden am Himmel ist man sicher. Vielleicht früher mal beim Fallschirmspringen? „Ja, da ganz sicher“, nickt er und denkt an seinen ersten Sprung im freien Fall, als er die Reißleine zu einem äußerst 
ungünstigen Zeitpunkt gezogen hatte.

Ansonsten ist der 82-Jährige beneidenswert furchtlos. „Das kommt davon, weil ich meinem Traum vom Fliegen hinterhergejagt bin“, meint er. Und als er ihn schließlich packen konnte, hat er ihn festgehalten. Sein ganzes Leben lang – bis heute.
Das fliegende Ausnahmetalent gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Luftfahrt. Im August 2018 hat er Einzug gehalten in die „Hall of Fame“, einem exquisiten Zirkel, dem weltweit nur 103 Stars der Luftfahrt angehören. Damit steht Eichhorn gleichberechtigt neben Persönlichkeiten wie Stratosphären-Jumper Felix Baumgarten oder dem Weltumrunder in neun Tagen, Dick Rutan. Aber auch Buzz Aldrin, der als zweiter Mensch den Mond betreten hat, und sein deutscher Kollege Ulf Merbold sind unter den Luftabenteurern. Doch damit nicht genug. Hollywood-Legenden wie Harrison Ford, John Travolta, Kurt Russell und Tom Cruise haben sich nicht nur in den Living Legends of Aviation verewigt, einige waren auch Weggefährten des smarten Buschpiloten Walter Eichhorn, der eine so ungewöhnliche und unvergleichliche Karriere bis zum Lufthansa-Piloten hingelegt hat.

Der große Traum vom Fliegen

Schon als kleiner Junge gab es für Walter nur den einen Wunsch: einmal Pilot werden. Der Vater, selbst bei der Luftwaffe und sein großes Vorbild, war auf dem Fliegerhorst bei Jever stationiert gewesen. Tagtäglich hatte der Junge die Flugzeuge über das Dach fliegen sehen, hauptsächlich Jagdflugzeuge vom Baumuster Messerschmitt Me 109.
Doch Walters Traum vom Fliegen sollte so schnell nicht Wirklichkeit werden. Im Deutschland der Nachkriegsjahre war eine Ausbildung zum Piloten nicht mehr möglich. Über Umwege sollte es Eichhorn dennoch gelingen.
Als er mit 19 Jahren seine Lehre als Kfz-Schlosser beendet, hat er bereits einen festen Plan geschmiedet. Von seinem kargen Lehrlingslohn und später als Lkw-Fahrer (mit 84 Arbeitsstunden in der Woche) spart er sich Geld zusammen, um nach Kanada auszuwandern. Dort will er den Pilotenschein machen.

Ein halbes Jahr arbeitet er in einem Sägewerk, kehrt dann in seinen alten Beruf zurück - und ist zufällig nur fünf Minuten vom Hafen entfernt. Mit der Fähre kann er zum Toronto Island Airport übersetzen. „Auf dieser Insel habe ich mit dem Fliegen begonnen“, erinnert sich Eichhorn. Als er seinen Pilotenschein in der Tasche hat, wartet auch schon das nächste Projekt auf ihn: Walter nimmt Fallschirmflugstunden. Später einmal wird er Absetz-Pilot der kanadischen Fallschirm-Nationalmannschaft sein und mit seiner eigenen Flugformationstruppe „Walters Vögel“ Geschichte schreiben.

Ein Buschpilot im Lufthansa-Cockpit

In Deutschland haben sich die Zeiten mittlerweile geändert, Piloten werden händeringend gesucht. Die Nachwuchssuche der Lufthansa zielt eigentlich auf Bundeswehrpiloten. Aber Eichhorn, mittlerweile als Berufspilot in Kanada zugelassen, schafft die Aufnahmeprüfung. Jetzt muss alles sehr schnell gehen. Er verkauft in Kanada seine erste North American T-6, zieht um nach Deutschland.
Als Seiteneinsteiger kämpft er sich nach oben und schafft die schwere Pilotenausbildung. Am Ende sind es 30 Jahre, die er für die Deutsche Lufthansa fliegt, davon 24 Jahre als verantwortlicher Kapitän im europäischen und US-amerikanischen Luftraum.

Kinoheld und Top-Gun-Freundschaft

Eichhorns Leidenschaft fürs Fliegen hatte sich bereits in den 80er Jahren in der Filmwelt rumgesprochen. Immer wenn es um die - selbst für erfahrene Piloten - schwer händelbare Messerschmitt Me 109 ging, war Eichhorn gefragt. Mit der englischen Fernsehserie „Piece of Cake“ begann er 1988 seine fliegende Filmkarriere, mit „Memphis Belle“ kam er 1990 in die Kinos Großbritanniens, Kanadas und der USA. Seinen letzten Auftritt als Me-Pilot hatte er dann 2007 in „Operation Walküre“ mit Tom Cruise als Hauptdarsteller. Dafür hatte er zwölf Stunden in der Luft verbracht, gesehen hat man im Film nur wenige Sekunden. Dass er der Pilot war, kann man lediglich im Abspann lesen.

Sein prominenter Lehrer für die Me 109 war im Übrigen Fliegerlegende Erich „Bubi“ Hartmann, der erfolgreichste deutsche Jagdflieger aller Zeiten. Von ihm hatte er seine theoretische Einweisung erhalten. Für die Messerschmitt-Stiftung wurde Eichhorn als einziger Pilot, der noch die restaurierten Bf 109-Muster fliegen und damit andere Piloten einweisen konnte, unverzichtbar. Mit Sondererlaubnis durfte er noch über das 70. Lebensjahr hinaus weitere zwei Jahre fliegen.


Buchtipp


36.000 Stunden am Himmel

Zu beziehen über www.flyaholic.de.

Das Leben des Himmelsstürmers Walter Eichhorn hat Michael Linke, ein Vereinskamerad der Flugsportgruppe Elz, detailliert und spannend aufgezeichnet.
Die Biografie mit dem Titel „36.000 Stunden am Himmel“ ist inzwischen schon in dritter Auflage erschienen.


Noch kein Ende des Flieger-Kapitels

Mit seinen 82 Jahren hat der Mann aus Bad Camberg das Kapitel Fliegen noch nicht abgeschlossen. Nur beim Kunstfliegen ist er kürzer getreten. „Auf Anraten meines Arztes“, schmunzelt er. Gemeinsam mit Sohn Toni, der als Lufthansa-Pilot in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist, hat er vor 26 Jahren eines der erfolgreichsten Formationskunstflugteams Europas aus der Taufe gehoben.
Für den ehemaligen Deutschen Meister in der Semiakrobatik ist auch heute noch Fliegen wesentlich beruhigender als Autofahren. Er ist fest davon überzeugt: „Die Fahrt zum Flughafen ist das Gefährlichste am Fliegen.“


Steckbrief


Name:
Walter Eichhorn

Beruf:
Flugkapitän a.D. bei der Lufthansa

Hobby:
Fliegen und Fallschirmspringen

Flugstunden:
21.000

Geflogene Flugzeugmuster:
North American T-6, S-211, JU-52, Convair 340, B-727, A300,
DC-10, B-747, P-51, Me-109, L 29 „Delfin“, Galeb G-2, . . .

Auszeichnungen:
Living Legends of Aviation; Bob Hoover Freedom of Flight Award

Siege:
3 x Deutscher Meister und 3 x Bronze bei Weltmeisterschaft mit seinem Fallschirmspringer-Team „Walters Vögel“
Deutscher Meister 1980 in der Semiakrobatik
Gewinner des deutschen Kunstflugpokals

Text: Edith Billigmann | Fotos: Julian Wolf