Frisch und entstaubt


Das älteste Bier- und Weinhaus in Limburg ist zu neuem Leben erwacht

Um Frau Änny Conradi ranken sich viele Gerüchte. Die robuste und langjährige Besitzerin des ältesten Weinhauses von Limburg war durchaus nicht zimperlich. Wer Bier verlangte, laut lachte, zu lange verweilte oder das Jackett über die Stuhllehne hing, musste das Weinhaus augenblicklich verlassen, selbst wenn es sich um hochrangige Würdenträger handelte… Die Zeiten haben sich geändert. Seit 2018 ist Oliver Birkhölzer (44) neuer Pächter des legendären „Weinhaus Schultes“, in dem auch Bier geordert werden kann und das sich unter Freunden edler Weine und pfiffiger Speisen als der Insidertipp in Limburg herumgesprochen hat.

„ Ich hätte kein Banker werden können. “

Oliver Birkhölzer ist ein Kind der Region, in Limburg-Lindenholzhausen aufgewachsen, nun in Elz beheimatet. Ende 20 macht sich der gelernte Hotelfachmann in Bad Camberg selbstständig, wechselt sechs Jahre später nach Limburg und betreibt dort erfolgreich eine Straußwirtschaft. Dass er das auch im größeren Stil kann, beweist er seit Dezember 2018 im „Weinhaus Schultes“. Zuvor hatte der Eigentümer, Achim Kramb, das historische Gebäude kernsaniert und nach eineinhalb Jahren alle Restaurationsarbeiten abgeschlossen. Das alte Interieur ist erhalten geblieben. Stühle, Tische, Holzvertäfelung erinnern an alte Zeiten, die Küche allerdings ist zu neuem Leben erwacht. Hier tobt sich der Chef auch gerne mal selber aus und arbeitet kreativ an Neuinterpretationen deutscher Gerichte. Denn noch immer pflegt er seine Leidenschaft für gutes Essen und Trinken. „Der Beruf ist auf mich zugeschnitten“, bekennt er. „Ich hätte kein Banker werden können.“

In den Tiefen des historischen Kellers, der vermutlich im 12. Jahrhundert erbaut wurde und damit gut 200 Jahre mehr auf dem Buckel hat als das Haus selber, ist Oliver Birkhölzer häufig anzutreffen. Der Gewölbekeller mit seinen alten, großen (und nun leeren) Fässern, die in ihrem Bauch einst bis zu 5.000 Liter Wein gelagert hatten, eignet sich hervorragend für Events der besonderen Art, angefangen von Familienfeierlichkeiten wie Hochzeiten, Konfirmation und Kommunion oder Geburtstagen bis hin zu Firmenfeiern oder Einladungen für Special Guests.

Als besonderes Highlight für Weinliebhaber können demnächst edle Weine in Tresoren gelagert werden. Dann erhält man gegen eine monatliche Mietgebühr freien Zugang zum Keller und hat dort Gelegenheit, während der Öffnungszeiten gemeinsam mit seinen Gästen die eigenen Weine zu verköstigen.

Apropos Weine. Auch da ist Oliver Birkhölzer mit dem ältesten Zulieferer des Weinhauses, Michael Trenz, der Tradition treu geblieben. Die Stammgäste können weiterhin „ihren“ Riesling genießen. Aber Birkhölzer hat die Karte um weitere Anbaugebiete in Deutschland und Europa erweitert. Und auch der Süden ist mit Italien und Spanien dabei. Birkhölzers persönlicher Favorit ist zur Zeit Grüner Veltiner.

„ Ich liebe gutes Essen und gute Weine. “

Aber nicht nur den südlichen Weinen hat Oliver Birkhölzer den Weg in den Gastraum gebahnt, sondern auch der mediterranen Küche. Als gelungene Symbiose mit der klassisch-deutschen Küche, wie es der leidenschaftliche Koch und Weinkenner verstanden haben will. „Das traditionelle Rumpsteak mit dem Wasserweck vom Bäcker Hensler gibt es auch weiterhin“, kann er die eingefleischten Fans beruhigen. „Aber auch einen halben Meter Tapas, neu interpretiert.“

Ein Traditionshaus mit langer Geschichte

Jede Altstadtführung beginnt und endet am legendären „Weinhaus Schultes“, dem architektonischen Juwel in Limburgs Altstadt. Der Blick nach oben führt zum Erker, der verziert ist mit geschnitzten Motiven aus dem alten Testament. Sie stellen Jona dar, wie er vom Wal verschluckt und wieder ausgespuckt wird. Dass dabei aus dem Wal ein Drachen wurde, ist der mittelalterlichen Fantasie geschuldet, und macht den Erker umso interessanter.

Man schaut zwar keinem hinter den Kopf, aber ein Blick hinter den Erker ist erlaubt. Hinter diesem verbirgt sich im Innern eine Ferienwohnung mit Wohlfühlcharakter. Der Eigentümer, Achim Kramb, hat aus der ehemaligen Besitzer- bzw. Pächterwohnung im obersten Stockwerk Wohnraum mit romantischem Blick auf die Plötze geschaffen.

Oliver Birkhölzer

• geboren am 5. Februar 1975
• wohnt in Elz, ist verheiratet mit Ehefrau Monika
• hat das Koch-Gen von mütterlicher Seite geerbt: Urgroßvater hatte eine Restauration in Runkel
• hat am 6. Dezember 2018 das Traditionshaus „Weinhaus Schultes“ eröffnet, das mit dem Hessischen Denkmalpreis 2019 ausgezeichnet wurde
• ist in der Heimat stark verwurzelt, pflegt das regionale Netzwerk mit Weinhändler, Metzger und Bäcker
• bezeichnet sich selbst als passionierten Weintrinker
• holt sich auf Reisen neue Ideen für die Küche
• ist Mitglied im ältesten deutschen gastronomischen Zusammenschluss „Hessen à la Carte“

Ohnehin ist Achim Kramb dem Prinzip „Altes erhalten, Neues schaffen“ im gesamten Haus treu geblieben. Ob es sich dabei um die drei Gästezimmer handelt oder den auch nach Umbau und Verkleinerung erhalten gebliebenen Saal im 1. Stock mit bis zu 30 Sitzplätzen oder die Weinstube im Parterre, die bis zu 60 Personen fasst. In seiner Historie wurde der Saal im 1. Stock für öffentliche Tanz- oder Kinoveranstaltungen genutzt, diente aber auch als Gründungssaal der damaligen Volksbank.

An die lange Tradition der Gastfreundschaft knüpft Oliver Birkhölzer gerne an, auch wenn sie im Laufe der Jahre unterschiedlich interpretiert worden ist. Man denke nur an das strenge Regiment der ehemaligen Wirtin Änny Conradi, für das sich auch heute noch verschreckte Zeitzeugen finden lassen. Bier war bei ihr verpönt, obwohl Bierbrauer Johann Hilf 1836 Namensgeber des „Bier- und Weinhaus Schultes“ war. 1763 hatte Bäckermeister Jacob Brückmann als einer der ältesten Hausbesitzer das allererste Lokal auf diesem Grund eröffnet.

Kontakt

Weinhaus Schultes | Inh. Oliver Birkhölzer
Plötze 14 | 65549 Limburg
Telefon 06431 2198959 | info@schultes-weinhaus.de

Text: Edith Billigmann | Fotos: Marcel Gregory Stock