Dominique Ziesemer: UND DANN HAT ES WUMMS GEMACHT


Ein Mann mit (Fernseh-)Format: Seit über 20 Jahren moderiert und konzeptioniert der Polcher Dominique Ziesemer Shows für den NDR

Hätten seine Eltern Erst- und Zweitnamen getauscht, sein Vater nicht auf der französischen Schreibweise bestanden und seine Mutter ihre Vorliebe für lange Haare nicht an dem Jungen ausgelebt - ja, dann hätte es Dominique Lars Ziesemer (50) ein wenig einfacher in seiner Kindheit gehabt. „Die Verwechslung mit einem Mädchen lag schon gefährlich nah“, schmunzelt der gebürtige Polcher noch heute. Aber er hat sich schließlich mit seinem Namen angefreundet und eine Menge draus gemacht. In der Polcher Historie ist der bekannte NDR-Reporter als berühmter Sohn der Stadt gelistet.

Seit zwei Jahrzehnten wohnt Ziesemer schon in der Hansestadt Hamburg, arbeitet dort für den NDR, zunächst als fester Freier, nun seit zwei Jahren in Festanstellung. Doch für Besuche seiner Eltern und seiner Heimat auf dem Maifeld nimmt er sich Zeit, gerne auch mit seinen Söhnen Bruno (13) und Emil (9).
Dass Dominique mal ins journalistische Fahrwasser driften sollte, war zu Schulzeiten nicht klar erkennbar. Zwar hatte er schon als Chefredakteur die Schülerzeitung erfolgreich geführt und darin auch die kritische Auseinandersetzung nicht gescheut, aber mit seiner Liebe zum Fach Mathematik war eigentlich der Weg fürs Mathestudium vorgegeben. Bei einem ersten Besuch an der Uni Mainz, so Ziesemer im Rückblick, glaubte er sich jedoch in einer Fremdsprachenvorlesung. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Also entschied er sich für mehr Lebensfreude und startete ein Studium der Publizistik und Politikwissenschaften. Die Suche nach dem zweiten Nebenfach gestaltete sich schwieriger. Am Ende wurden es die Filmwissenschaften. Die Uni verließ er 1996 mit dem Magister in der Tasche. Seine ersten journalistischen Sporen verdiente sich Dominique zu Studentenzeiten bei dem noch jungen Fernsehsender MYK-TV in Polch, der sich unorthodox in die bisher von Print und Radio geprägte regionale Medienlandschaft gedrängt hatte. Für den 20-Jährigen eine spannende Zeit, in der man sich - weil noch nicht professionalisiert und daher auch nicht dem bürokratischen Diktat unterworfen – ausprobieren konnte und vieles noch möglich war.

„Der Zufall hat in meinem Leben immer eine große Rolle gespielt.“

Nach dem Magister-Examen wird es ernst. Auf seine Bewerbungen erhält er zwei Zusagen, doch zum Gewissenskonflikt werden sie nicht. Denn das Volontariat beim NDR hat eindeutig die größere Anziehungskraft als die Mitarbeit in einem Meinungsforschungsinstitut. „Der Zufall hat in meinem Leben immer eine große Rolle gespielt“, sinniert Dominique, „und der Humor“ - und erzählt dann, wie er zur Quizsendung „Wer hat‘s gesehen?“ kam: „Ich hatte mich um eine ausgeschriebene Stelle als Programmplaner beworben, aber die war bereits vergeben. Dennoch wollte der Programmverantwortliche mich kennenlernen.“ Die Situation wird immer abstruser und Dominique fühlt sich vorgeführt wie bei der versteckten Kamera, als ihm schließlich bekannte Titelmelodien vorgespielt werden, die er erraten soll. Er kennt sie alle - und bekommt den Job, ein Konzept zu entwickeln, „sinnloses Wissen ins Fernsehen zu bringen“. Bei Fragen wie „Wie viele Streifen hat Biene Maja?“ und „Wie viele Frauen hatte Ben Cartwright?“ schnellen die Einschaltquoten in die Höhe. Die beiden Folgen, die er für den NDR produziert, sind so erfolgreich, dass sie bis 2015 weitergeführt werden. 2010 wurde die 100. Folge ausgestrahlt.

Nach dem Volontariat beim NDR will sich Ziesemer nicht in einer Festanstellung binden und arbeitet als Freier Mitarbeiter. Mit seinem unleugbaren Hang, die Welt nicht ganz so ernst zu sehen, entwirft er weitere Formate wie „Wann war eigentlich?“, „Talk und Spiele“ und „Alles Lügen“. In der Satiresendung „Extra 3“ ist er die Stimme in der Rubrik „Die Sendung mit dem Klaus“.
Seine erste große Moderatorensendung mit 1,5 Millionen Zuschauern übernimmt er 2004. Sechs Jahre moderiert er für die ARD den „Ratgeber Technik“, landet mit zwei seiner verrückten Moderationen bei Harald Schmitt. „Wir haben zum Beispiel einen Rap über Taschenwärmer gemacht, so mit brennenden Fässern und Hintergrundchor - wohlgemerkt in der ARD! Den Rap fand Schmitt so bescheuert, dass er in seiner Sendung schön darüber hergezogen ist“, lacht Ziesemer.


2009 ist die Zeit für Veränderungen.

Ziesemer moderiert für den NDR sechs Folgen von „DAS!“, bei dem er Studiogäste auf die Couch bittet, „Unser starker Norden“ zusammen mit Inka Schneider und die größten Popsongs mit der ehemaligen VIVA-Moderatorin Milka Loff Fernandes. Mit Rainer Blank produziert er die „Kultautos der Deutschen“, arbeitet zusätzlich als Dozent für das Medienbüro Hamburg. 2009 sitzt er in der Jury des internationalen Fernsehpreises „Rose d’Or“.
Knapp über 50 probiert sich Ziesemer noch einmal neu aus. Beispielsweise mit der erfolgreichen Show „Treckerfahrer dürfen das“ im NDR-Gebiet oder der Politsatire „Bohemian Browser Ballett“ auf Facebook und YouTube. Und seit zwei Jahren führt er als Redakteur die Sportsatire „WUMMS“, die sich an 14- bis 29-Jährige richtet. Das Format ist gerade mit dem Civis-Journalistenpreis ausgezeichnet worden und hat sich mit dem Ramos-Song, immerhin 34 Millionen Mal auf YouTube aufgerufen, zum erfolgreichsten Format von FUNK (dem gemeinsamen Angebot von ARD und ZDF im Netz) entwickelt.

Fernsehen in die Wiege gelegt – Das etwas andere Portrait

Am 23. März 1969 reißt Dominique Ziesemer seinen Vater Hans jäh aus der idyllischen Fernsehlandschaft. Er will endlich das Licht der Welt erblicken, sein Vater aber hat ganz andere Interessen und würde die Geburt seines Sohnes zum jetzigen Zeitpunkt gerne hinauszögern. Ein alter Krimi mit vier dubiosen Nonnen hält ihn in seinen Bann. Doch Vater Hans muss erkennen, dass die Gesetze der Natur stärker sind, und beugt sich, wenn auch mürrisch, dem Unvermeidlichen. Jahre später recherchiert Dominique in alten Zeitschriften, um das Film-Geheimnis endlich zu lüften, aber er wird nicht fündig…
Die Schülerzeitung mit dem sprechenden Titel „Orakel“ gibt den nächsten entscheidenden Hinweis auf seine berufliche Karriere. „Ich hatte grundsätzlich ein angespanntes Verhältnis zum Direktor“, formuliert es Dominique vorsichtig. Das wird auch nicht besser, als er in der Abi-Zeitung eine fiktive Rede für den Schulleiter schreibt (Wie er sie denn halten würde, wenn er dürfte) und daneben ein „süßes“ Ferkelchen mit Karnevalsmütze abbildet…
Ermahnungen und Belehrungen vom Vater gibt es keine, da- für sind sich die beiden zu ähnlich – außer bei ihrer Liebe zu den Fußballvereinen Kaiserslautern (Vater) und Frankfurt (Sohn). Als Hans das erste Mal als Bürgermeister-Kandidat antritt, zieht Dominique als jüngstes Mitglied in den Gemeinderat ein und muss sich „als junges Gemüse“ so einiges anhören. Ob hier schon die Grundlagen für seine späteren politischen Satireformate gelegt wurden? Wir wissen es nicht…

… ein „Braver“ ist Dominique Ziesemer nicht.

Auch wenn Vater Hans in höchsten Tönen von seinem „liebenswerten“ und immer gut gelaunten Sohn spricht, ein „Braver“ ist Dominique Ziesemer nicht. Mit provokanten Fragen lockt er seine Studiogäste in der Sendung „DAS!“ aus der Reserve. Das gelingt ihm gut, bis auf eine Ausnahme: Mario Adorf. „Der hat alles weggelächelt“, sagt Dominique noch immer fasziniert. „Dem kann nix und keiner was anhaben.“ Und so ist die Frage „Sind Sie ein Macho?“ bis heute unbeantwortet geblieben…

Im Sport kennt sich Dominique Ziesemer gut aus, hat in jungen Jahren beim VfB Polch Fußball gespielt, später Tennis und jetzt – nach einem späten Einstieg in den Ski-Sport mit all seinen Tücken und der ärztlichen Diagnose Bänderriss – ist Golfen angesagt. Das Tanzbein schwingt er auch – gemeinsam mit Ehefrau Ulrike beim Lindy-Hop.
Das Kindheitstrauma, aufgrund eindeutiger Indizien wie Vorname und lange Haare der weiblichen Kategorie zugeordnet zu werden, hat er überwunden. Verschwunden ist er aus dieser Zielgruppe aber deshalb noch lange nicht. Postsendungen an Frau Dominique Ziesemer mit Flügelbinden zur Testung oder Parfümpröbchen für die Dame sind auch heute keine Seltenheit…

Text: Edith Billigmann / Fotos: NDR; Edith Billigmann