IM KUHGALOPP ZURÜCK AUFS LAND


Kreativer Hotspot mitten in Kaisersesch: Evamaria Deisen hat sich in der Männerdomäne Industriedesign fest etabliert

Den alten Kuhstall im historischen Ortskern von Kaisersesch hat Evamaria Deisen ganz bewusst als Atelier gewählt. Es ist ihr persönliches Bekenntnis zur Heimat und der erbrachte Beweis eines erfolgreichen Kaisersescher „Wendbeydels“. Denn allen gut gemeinten Warnungen zum Trotz hat sie es mit ihrem Studio für Industriedesign von der Eifel aus ins internationale Fahrwasser geschafft. Ihre Geschäftsbeziehungen reichen bis nach Belgien und in die Schweiz.

Aus ihrer Eifelverbundenheit macht die 32-Jährige keinen Hehl. „Ich hänge abgöttisch an meiner Heimat“, sagt sie und weiß, wovon sie spricht. Nach langen Jahren in München und Ingolstadt, in denen sie für große Firmen als Industriedesignerin tätig war, zog es sie immer häufiger in die Heimat zurück.

„Kaisersesch war meine Basis“, erzählt sie. „Mir war immer klar, dass ich irgendwann dorthin zurückkomme.“

Jetzt ist sie da und kann auf mittlerweile drei Jahre Selbstständigkeit zurückblicken. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 2019 wurde sie mit dem „Eifel-Award für Innovative Start-ups“ ausgezeichnet, im gleichen Jahr führte sie mit weiteren 25 Kreativen im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin Wort beim „Zukunftsdialog“. Für die Verbandsgemeinde Kaisersesch wirbt sie als Botschafterin für den Standort. Weiterhin aktiv ist sie als Mitglied des VDID, dem Verband Deutscher Industrie Designer, des Designforums Rheinland-Pfalz, der Arbeitsgemeinschaft Kaisersescher Gewerbebetriebe und der „Zukunftsallianz Cochem-Zell“. Darüber hinaus engagiert sie sich als Dozentin an der Mal- und Modeschule Kaisersesch, wo sie Kindern und Jugendlichen auf spielerische Weise das Zeichnen beibringt - und ganz nebenbei deren Selbstbewusstsein stärkt und den respektvollen Umgang in der Gemeinschaft vermittelt. Und ganz neu: Platz drei beim Pionierpreis-Wettbewerb des Landes Rheinland-Pfalz.

„Das kann ich, will ich, mach ich!“

An Selbstbewusstsein hat's der jungen Frau schon in Schulzeiten nicht gemangelt. Weil sie früh wusste, dass ihr Weg in Richtung Industriedesign gehen sollte, meldete sie sich kurzerhand zum Eignungstest an. Diese Hürde hat sie genommen und auch die zweite. Denn die Chance auf einen Studienplatz nach bestandener Prüfung haben etwa 20 unter 400 Bewerbern. Einzig bittere Pille: Dafür musste sie das erste Mal die Heimat verlassen. Nach dem Studium in Magdeburg ging es zu den großen Firmen nach Ingolstadt und München. Hier lernt sie Kreativität und Teamarbeit und die eigentliche Aufgabe eines Designers. „Er muss Dolmetscher sein, Bindeglied zwischen Kunden und Unternehmen“, umschreibt Deisen den hohen Anspruch. „Und er muss das Kunststück schaffen, alle Ideen in ein gutes Design einfließen zu lassen.“ Das sei den Firmen durchaus bewusst, so Deisen weiter. „Deshalb gibt es bei Designern wenig Hierarchien. Wichtig ist eine gute Unternehmenskommunikation. Jedes Design-Projekt startet mit einem Workshop oder einem Kick Off.“

Frauenpower
Evamaria Deisen ist eine von wenigen Frauen in Deutschland, die sich in der Männerdomäne Industriedesign behaupten konnte. Noch extremer sieht es in der Automobilindustrie aus. Aber auch hier hat sie den Fuß in die Tür gesetzt. Bereits vor vier Jahren hatte sie den Design-Wettbewerb von Volkswagen Motorsport und Sport Bild für sich entscheiden können. Ihren Entwurf, den 550 PS starken VW Polo RX Supercar dann live am Start zu sehen, habe sie schon mächtig stolz gemacht. Teamleiter Frank Hess vom benachbarten Kaifenheimer Sharky-Rennteam hat ihr Potenzial schon längst erkannt. Mit dem forschen Deisen-Design verschaffen sich die Haie schon mal den nötigen Respekt.
Gerade das liebt Evamaria an ihrem Beruf: die eigenen Entwürfe irgendwann in der Realität zu sehen. „Ich designe alles, von der Zahnbürste über den Mähdrescher bis hin zum Rennwagen“, sagt sie. Doch von der Idee bis zum Produkt kann es lange dauern. „Manchmal Jahre“, räumt sie ein. Dafür seien Design und Innovation zu eng miteinander verbunden. Man müsse immer wieder die neuesten Techniktrends aufgreifen, um am Puls der Zeit zu bleiben.

Kreativer Hotspot
Evamaria Deisen lebt von Gegensätzen. Freiwillig von der Großstadt aufs Dorf zu ziehen und sich dort auch noch selbstständig zu machen, das hatten viele ihrer Freunde und Arbeitskollegen als zerstörerischen Beginn eines nicht aufhaltbaren unternehmerischen Untergangs prophezeit. Dass daraus ein kreativer Hotspot geworden ist, damit hatten die wenigsten gerechnet. Die rennende Kuh im Logo spricht Bände. Damit dokumentiert Evamaria ihre freiwillig gewählte und freudige Rückkehr von der Stadt aufs Land. Umso besser, dass es sich bei ihrem Atelier auch tatsächlich um einen ehemaligen Kuhstall handelt.

Portrait

Geboren am 25. Februar 1988 in Koblenz, aufgewachsen in Kaisersesch
2007 Abitur am Kurfürst Balduin Gymnasium in Münstermaifeld
2007 bis 2011 Fremdenführerin auf Burg Eltz
2011 Bachelor of Arts in der Industrial Design an der Hochschule Marburg
2011-2017 Automotive Designerin in Ingolstadt und München; Produktdesignerin in Limburg/Lahn
Seit November 2017 eigenes Designstudio „DEISEN Design“ in Kaisersesch
www.DEISEN-Design.com

Text: Edith Billigmann; Fotos: ©DEISENDesign; Edith Billigmann