DIE WEIN-REBELLIN


Wie Juliane Eller den elterlichen Traditionsbetrieb in ein innovatives und nachhaltiges Unternehmen umgekrempelt hat

Juliane Eller (30) war immer eine Verfechterin der 5-Tage-Woche. Und das aus gutem Grund. So wie ihre Eltern, bei denen der Winzerbetrieb den Takt des Lebens vorgegeben hat, wollte sie nicht leben. Heute gehört sie zu Deutschlands bekanntesten Newcomerinnen der modernen, ökologischen Weinbauszene. Der Weg dorthin war steinig - von geregelten Arbeitszeiten, Urlaubsträumen und Privatleben keine Spur. Dennoch sagt Juliane: „Ich habe nichts bereut.“ Unser Team hat sie auf dem Winzerhof im rheinhessischen Alsheim besucht.

Jung . . .

Mit gerade mal 23 hatte Juliane Eller den Betrieb ihrer Eltern übernommen. „Eine Bauchentscheidung“, wie sie selber sagt. Dass aus anfänglicher Ablehnung Leidenschaft wurde, verdankt sie einem Praktikum im nahe gelegenen Weinbaubetrieb Keller in Flörsheim-Dalsheim. „Ein Spitzenwinzer, der mir eine ganz andere Welt gezeigt hatte, als ich sie kannte“, schwärmt sie noch heute. „Das wollte ich auch machen.“

Dynamisch . . .

Die Entscheidung ist gefallen. Vorbei die Suche nach sich selbst, stattdessen rein ins Weinbau- und Oenologie-Studium und danach raus in den elterlichen Betrieb. Der hat bisher auf eine möglichst breit gefächerte Vermarktung seiner 45 Rebsorten gesetzt. Doch damit ist jetzt Schluss. Juliane dünnt konsequent aus, bricht das Ganze auf fünf Rebsorten und sechs Weine runter, stellt vom Fasswein auf Flaschenweine um, setzt auf biologische Bewirtschaftung und wechselt von der Maschinenernte zur Handlese. 2013 gründet sie ihr eigenes Label „JUWEL“. Ihr Konzept bewirbt sie offensiv über sämtliche Social-Media-Kanäle und geht mit der Vermarktung online.
Das soll in Corona-Zeiten ihre Rettung werden. Die Kunden nutzen - während Restaurants und Läden geschlossen haben - auch weiterhin den direkten Draht über den Online-Shop. So bleibt die Abhängigkeit von Bestellungen aus Gastronomie und Fachhandel, von denen mittlerweile viele Existenzen durch den Lockdown bedroht sind, überschaubar. „Bei uns hat es auch keine Kurzarbeit gegeben“, sagt sie stolz. „Corona hat gezeigt, welches Potenzial wir haben.“

Erfolgreich . . .

Mit der Eigenmarke „JUWEL“ und dem noch jungen Label „III FREUNDE“, einem Gemeinschaftsprojekt mit Joko Winterscheidt und Matthias Schweighöfer, hat Juliane zwei deutsche Weinmarken etabliert und den Spagat zwischen Tradition und Moderne geschafft. Die puristischen JUWEL-Weine werden aus traditionellen Rebsorten hergestellt, das Projekt III FREUNDE steht für den jungen, innovativen Weinbau. Julianes größtes Erfolgserlebnis ist die 2. Traube im Gault Millau für ihren vierten Jahrgang. „Alles ist möglich, wenn man seine Träume zum Ziel hat und hart dafür arbeitet“, ist die junge Frau, die als Exot in einer männerdominierten Weinwelt begonnen hatte und mittlerweile zu den größten Winzertalenten Deutschlands gehört, überzeugt.

Gewusst wie

Ihren Erfolg verdankt sie aber auch ihrer jugendlichen Unbedarftheit. Wie man sich am besten vermarktet, wollte sie aus erster Hand des gefragten Fernsehmoderators Joko Winterscheidt, der viel in der Gründerszene unterwegs ist, wissen. Den kontaktierte sie einfach mal auf Facebook und hatte tatsächlich das unverschämte Glück, dass gerade ihre Mail dem neugierigen Joko in die Hände fiel. Unkonventionell griff der zum Hörer, hatte Vater Thomas am Ohr und eine erstaunte Juliane im Hintergrund, die glaubte, hier mache einer einen schlechten Scherz. „So nahm das Ganze seinen Lauf“, erzählt die junge Winzerin. Joko war nicht nur interessiert, sondern brachte auch seinen Freund und Schauspieler Matthias Schweighöfer mit. Beide große Weinliebhaber und bereit, sich für das gemeinsame Projekt einzubringen. Nach langem Tüfteln und vielen Weinseligkeiten konnten die drei Freunde schließlich ihre (in dieser Reihenfolge entwickelten) Eigen-Kreationen Grauburgunder, Rosé, Riesling und Glühwein auf den Markt bringen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Damit haben sie eines ihrer Ziele erreicht: Junge Menschen für guten deutschen Wein zu begeistern.

Handverlesen

Juliane ist bekennendes (Wein-)Kellerkind. „Dort bin ich ganz alleine, habe noch nicht einmal Handyempfang“, freut sie sich auf die morgendliche Routine. Mit einem bunten Musikmix von Rock bis Klassik im Hintergrund werden Fässer gereinigt, der Reifegrad der Weine getestet oder der Oechsle-Grad bestimmt. Das verlangt von der zierlichen Frau viel Konzentration, aber auch körperlichen Einsatz. Wie auch die Arbeit in den Weinbergen, insbesondere seitdem von der Maschine auf die Handlese umgestellt wurde.
Rund 20 Mitarbeiter sind dann in den Weinbergen. „Die händische Traubenlese garantiert eine hohe Qualität“, erläutert Juliane. „Ebenso die konsequente biologische Bewirtschaftung, bei der wir auf Herbizide und Kunstdünger verzichten.“
Kompromisslos erzeugte Weine mit eindeutiger Herkunft und unverwechselbarem Charakter, das ist ihre Philosophie. Und wenn ihr die Wetterlaunen einen Strich durch die Rechnung machen? „Das gehört dazu“, sagt sie selbstbewusst. „Wir arbeiten schließlich mit der Natur. Wenn wir weniger produzieren können, dann sind die Weine halt ausverkauft. Aber unsere Kunden warten dann, bis es einen neuen Wein gibt. Hier wird nicht gepanscht.“

Es bleibt in der Familie

Dass alles so gut geklappt hat, wundert die junge Winzerin noch heute. Das habe sie vor allem ihren Eltern zu verdanken, ist sie sich sicher. „Sie haben komplett losgelassen und mir vertraut. Dabei habe ich am Anfang nur Geld gekostet“, gibt sie zu bedenken. „Ich hätte auch ihr Lebenswerk an die Wand fahren können.“ Diskussionen habe es natürlich gegeben und sie habe auch Überzeugungsarbeit leisten müssen, aber das tiefe Vertrauen, das die Eltern in sie und ihre Arbeit gesetzt hatten, habe sie noch mehr motiviert.


Auch wenn Juliane Eller das Gesicht der JUWEL-Weine ist, hat sie den Familienbetrieb aufrechterhalten. Mit Vater Thomas (60) und Mutter Ingrid (57) hat sie die wichtigsten Berater an ihrer Seite. Auch die drei Jahre ältere Schwester Katharina, eigentlich Lehrerin von Beruf, ist in den Betrieb zurückgekehrt und kümmert sich um den Export der Weine. Und Oma Katharina (84) sorgt mittags dafür, dass alle bei Kräften bleiben. Alle, dazu gehört auch Julianes langjähriger Freund und frisch gebackener Ehemann Stefan Winter. Von Beruf ist er – natürlich – Winzer.

Portrait

• Geboren am 29. März 1990, als Winzertochter aufgewachsen in Alsheim
• Hat nach dem Abi eine Work-and-Travel-Auszeit in Australien genommen,
ihre Bestimmung zur Winzerin aber auf Klaus Peter Kellers Weingut gefunden
• Hat an der renommierten Hochschule Geisenheim Weinbau und Oenologie studiert,
mit dem Bachelor abgeschlossen
• Ist 2013 zwei Tage nach der Zeugnisvergabe ins elterliche Weingut eingestiegen und
hat unter dem Motto „Back to the roots“ den Weinmarkt revolutioniert
• Ihre Philosophie: „Tu, was Du kannst. Mit dem, was Du hast. Dort, wo Du bist.“
Ihre Weine sind Unikate, kompromisslos erzeugt mit eindeutiger Herkunft
• Ihre Ziele: Junge Menschen für deutschen Qualitätswein begeistern. Und Frauen im Weinbau eine Stimme geben.
Setzt auf Kollegialität statt Konkurrenz und hat sich zur besseren und gezielteren Vermarktung der Weine aus Rheinhessen
mit Kollegen*innen zur Gruppe „Weinblick5“ zusammengeschlossen.
• Ihre größten Unwägbarkeiten: der Klimawandel und die Bürokratie

Kontakt

Juwel Weine GmbH
Außerhalb 9; 67577 Alsheim
Tel.: 06249-4666
www.juwel-weine.de

Text: Edith Billigmann; Fotos: Christof Henninger; © III Freunde/Peter Bender