HALS ÜBER KOPF


Jacqueline Lölling, Skeleton-Pilotin und Olympiazweite, erzählt vom wichtigsten Lauf ihres Lebens

Es ist das Jahr 2018, in dem die damals 22-jährige Jacqueline Lölling Olympia-Geschichte schreibt. Die Skeleton-Fahrerin aus dem Westerwald holt im südkoreanischen PyeongChang für ihr Heimatland die Silbermedaille. „Es war der wichtigste Lauf meines Lebens“, sagt sie rückblickend auf das Finale, bei dem die Nerven blank gelegen haben. Denn nur Hundertstel Sekunden haben über Silber oder Gold entschieden.

Die zweifache Weltmeisterin, Vizeweltmeisterin und Europameisterin gehört in ihrer Sportart zu den Besten der Welt. Olympia war schon immer ihr großes Ziel. „Mein Traum“, schwärmt sie noch heute von der ganz besonderen Atmosphäre, die das größte Sportereignis der Welt ausstrahlt, und man darf davon ausgehen, dass sie 2022 wieder erfolgreich am Start sein wird. Mit ihrem erneuten Weltcup-Sieg im Januar und der Vize-Weltmeisterschaft im Februar ist Lölling derzeit in Topform. In der Wertung des Gesamtweltcups steht sie auf Platz 4.

„Da kann kein Mann der Welt mithalten.“

Skeleton gehört zum Bobsport und ist eine alte, olympische Tradition, die bereits bei den Winterspielen im St. Moritz/Schweiz 1928 und 1948 ausgetragen wurde. Nach einer großen Pause von 54 Jahren kehrte Skeleton als olympische Sportart 2002 in Salt Lake City zurück und steht seitdem wieder auf dem Programm. Beim Skeleton liegen die Piloten bäuchlings und mit dem Kopf nach vorn auf einem Schlitten, der an ein stählernes Skelett erinnert. Im Eiskanal erreichen sie Geschwindigkeiten zwischen 120 und 145 km/h. Eine spezielle Ausrüstung und ein Helm schützen die Piloten vor schweren Verletzungen. Um den Luftwiderstand zu verringern, werden die Arme unter den Körper gelegt und der Kopf möglichst weit nach unten gedrückt. „Der Helm ist dabei ganz wichtig, denn bei einigen Kurven lässt sich Eiskontakt mit dem Kopf nicht vermeiden“, betont Jacqueline und zeigt die Macken an ihrem Helm. „Da kann kräftemäßig auch kein Mann dieser Welt mithalten.“

Wie alles begann
Schon als Kind war Jacqueline sportlich, spielte Fußball, trainierte für Leichtathletik und Rhönrad - und im Winter wurde Ski gefahren. Skeleton kannte sie nicht. Das sollte sich in der sechsten Klasse ändern. Dem Vorschlag der Lehrerin, die neue Sportart Skeleton auf dem Winterberg auszuprobieren, folgt sie begeistert, ist aber nach dem Schnupperkurs ernüchtert. Im Oktober 2007 dann der zweite Anlauf für die damals 12-Jährige, diesmal auf Eis. „Es war verrückt: Ich hatte Angst, wusste nicht mehr, wo oben und unten war“, erzählt sie. „Aber etwas in mir sagte: Mach's noch einmal.“ Und sie traut sich - und findet so zu ihrer Sportart.
Im anschließenden Jahr ist Training angesagt, zunächst bei ihrer Lehrerin Mechthild Göbel-Heinz, dann bei der RSG Hochsauerland. Dafür fahren die Eltern zwei- bis dreimal die Woche vom Heimatort Brachbach ins 78 Kilometer entfernte Winterberg. Nach der neunten Klasse muss sich Jacqueline entscheiden: Abitur am hiesigen Gymnasium oder Wechsel aufs Sport-Internat nach Winterberg. Sie entscheidet sich für Letzteres und hat es bis heute nicht bereut. „Dort hatte ich beste Trainingsmöglichkeiten und konnte an vielen Wettkämpfen teilnehmen.“

Eine steile Karriere
Nach dem Abi bewirbt sie sich bei der Bundespolizei, wo sie ihre Ausbildung 2015 beginnt. Da ist sie bereits Deutsche Meisterin (2012) und hat im selben Jahr die Goldmedaille bei den Olympischen Jugendspielen in Innsbruck gewonnen. In der Saison 2014/15 belegt sie beim Intercontinentalcup dreimal die ersten Plätze, gewinnt bei den Deutschen Meisterschaften 2015 zum zweiten Mal den Titel und die letzten drei Saisonrennen des Europacups. Im Februar dann der Sieg bei der Junioren-WM in Altenberg und die Silbermedaille bei der WM in Winterberg.
Ihr erster Weltcupsieg gelingt ihr 2016 in Altenberg, eine Woche später ist sie Europameisterin. Die Goldmedaille bei der WM am Königssee holt sie in der Saison 2016/17. Ihren Sieg im Gesamtweltcup wiederholt sie in der Saison 2017/18 mit vier Siegen in acht Rennen. 2018 dann die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen. Dafür wird sie vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet. Von Ortsbürgermeister Josef Preußer wird sie zur Ehrenbürgerin von Brachbach ernannt.
Trotz ihrer beachtlichen Karriere mit nur 26 Jahren bleibt Jacqueline Lölling geerdet.

„Ich bin froh, dass ich in meinem Heimatort bleiben konnte“, sagt die ausgebildete Bundespolizeimeisterin.

Denn ihre Familie und Freunde geben ihr Kraft und die nötige Ruhe, den nervenaufreibenden Sport auch mental bewältigen zu können. „Ich gehöre zu denjenigen, die vor Wettkämpfen sehr aufgeregt sind“, gesteht Jacqueline. „Aber man merkt es mir äußerlich nicht an. Andere brüllen in den Helm oder klopfen sich auf die Beine. Dieser Typ bin ich nicht.“

Portrait

• geboren am 6. Februar 1995, lebt in Winterberg, ist in Brachbach aufgewachsen
• Ihre größte Leidenschaft: Skeleton
• Ihre größten Erfolge: Silber bei den Olympischen Winterspielen; 2 x Gold und 3 x Silber bei den Weltmeisterschaften, 3 x Platz 1 bei der Weltcup-Gesamtwertung; 12 x Platz 1 und 5 x Platz 2 beim Weltcup; Gold und Silber bei den Europameisterschaften; zweimal Gold bei den Junioren-Weltmeisterschaften, dreimal Platz 1 beim Intercontinentalcup und zweimal Gold bei den Deutschen Meisterschaften
• Ist in die Vorbereitung für die Olympischen Spiele 2022 gestartet
• Ist Ehrenbürgerin von Brachbach und hat das Silberne Lorbeerblatt vom Bundespräsidenten erhalten
• Liebt Geselligkeit mit ihrer Familie (Mutter Simone, Vater Bernd, Schwester Celine) und Freunden
• Ergänzt sich prima mit ihrem Freund und Fußballfan Kai

Text: Edith Billigmann; Fotos: Christof Henninger; ©Viesturs Lacis IBSF/BSD; Edith Billigmann