Unter die ersten Acht wollte er bei seiner vielleicht letzten Olympia-Teilnahme kommen, gereicht hat es nur für Platz 14. An Kai Kazmirek, prominenter Zehnkämpfer und Aushängeschild der LG Rhein Wied, nagt die Enttäuschung, aber auch die Ratlosigkeit, hatte er doch im Vorbereitungslager mit Bestzeiten geglänzt. Doch der 30-Jährige, dem man ein starkes Nervenkostüm nachsagt, blickt schon wieder nach vorne: auf die in 2022 anstehende WM in der US-amerikanischen Stadt Eugene im Bundesstaat Oregon und auf die EM in München.
Corona hat so einiges ins Wanken gebracht. Lange Zeit waren Trainingsmöglichkeiten entweder nicht gegeben oder stark eingeschränkt, auch waren durch die fehlenden Wettkämpfe in 2020 die Leistungen der Konkurrenten schlecht einschätzbar. Mit diesen Variablen musste Kai in die olympischen Spiele von Tokio gehen. Dass coronabedingte Auflagen und strikte Vorgaben die olympische Präsenz der Sportler in Japans Hauptstadt deutlich dämpfen würden, war schon vor dem Abflug bekannt. Dennoch ist der Hochleistungssportler aus Neuwied dankbar, „dass die Spiele überhaupt stattgefunden haben.“
Jetzt heißt es erst einmal, Ursachenforschung betreiben und mit einem kühlen Kopf und viel Disziplin in die Wettkampfvorbereitung gehen. Eigenschaften, von denen er im Übrigen nicht nur im Sport profitiert, sondern die er auch als Polizeikommissar in brenzligen Situationen durchaus gut gebrauchen kann.
Dass Kai Disziplin kann, hat er in seiner sportlichen Laufbahn schon oft genug bewiesen. Zum Beispiel als er sich mit 14 Jahren für die Leichtathletik bei der LG Neuwied und damit gegen Fußball entschied. „Ich war am Anfang ziemlich schlecht, schaffte gerade mal die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft“, sieht sich Kazmirek noch heute sehr kritisch. Dennoch biss er sich durch und schaffte mit 17 Jahren als Deutscher Meister im Hochsprung den Durchbruch. Und dann kam das Jahr 2012, sein ganz persönliches „verfluchtes Jahr“. Patellarspitzensyndrom, Hexenschuss, Blinddarm-OP und Pfeiffersches Drüsenfieber legten ihn lahm und rückten das „Lebensziel eines jeden Zehnkämpfers, in den Club der 8000er zu kommen“, in weite Ferne. Dennoch schaffte er das Unmögliche, sagte seinen Krankheiten den Kampf an und wurde noch im gleichen Jahr Deutscher Meister im Zehnkampf. Dabei übertraf er erstmals mit 8130 Punkten die magische 8000er Grenze. Ein Jahr später sicherte er sich mit persönlicher Bestleistung bei den U 23-Europameisterschaften den Titel.
Von da an wechselten sich Titel und persönliche Bestleistungen ab: 2014 siegte er bei den Deutschen Meisterschaften im Hallen-Siebenkampf und steigerte seine persönliche Bestleistung beim Mehrkampf-Meeting Götzis, das er ein Jahr später gewann, dann in 2016 Dritter wurde. Den zweiten Platz sicherte er sich beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen. Eine neue persönliche Bestleistung erzielte er bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio, wo er den vierten Platz belegte. Mit Bronze bei der WM 2017, dem vierten Platz im Siebenkampf 2018 sowie den ersten Plätzen in Ratingen 2019 und 2021 ist Kai in der besten Form seines Lebens. Jüngster Beweis ist sein Sieg bei der Wertungsserie „World Athletics Challenge – Combined Events”. Und Tokio? „Muss man als ungeklärten Fall abhaken“, sagt der Polizist in ihm. „Und sich auf die nächsten Wettkämpfe konzentrieren.“
PORTRAIT
• Geboren am 28. Januar 1991 in Torgau
• Wohnt in Neuwied
• Ist Zehnkämpfer bei der LG Rhein Wied
• Ist Polizeikommissar und Student (Sport und Leistung)
• Persönliche Bestleistung: 8.580 Punkte (2016)
• Größte Erfolge:
• U23-EM: Gold 2013
• U20-EM: Bronze 2009
• Olympische Spiele 2016, Platz 4
• Weltmeisterschaften 2017 Bronze und 6. Platz 2015
• Europameisterschaften: 6. Platz 2014
• Hallen-WM: 4. Platz 2018 (Siebenkampf)
• Götzis: 1. Platz 2015
• Ratingen: 1. Platz 2019 und 2021