Tattoos sind Kunstwerke, die dauerhaft die Haut zieren - und das Ergebnis sorgfältiger Handarbeit. Viel Zeichnen gehört zum Berufsalltag, berichtet Maik Frey, Inhaber eines Tattoo-Studios und ein Urgestein seiner Branche. Doch damit ist es nicht getan. Uns erzählt der Tätowierer, warum er für seinen Beruf viele Kilometer zurückgelegt hat - und was die Vorteile großflächiger Tattoos sind.
Wie ich zu meinem Beruf gekommen bin:
Ursprünglich bin ich gelernter Siebdrucker. Mit Farben hatte ich also schon immer zu tun. Ende der 1980er Jahre zog es mich dann zu einer Tattoo-Convention in England, bei der Tattoo-Künstler ihr Können zeigten. Diese Veranstaltung hat mein Leben verändert. Ich beschloss Tätowierer zu werden.
So sah meine Ausbildung aus:
Eine gesetzlich geregelte Ausbildung gibt es nicht. Von Learning-by-doing habe ich damals aber nichts gehalten. Ich wollte das Handwerk von der Pike auf lernen und mich unbedingt von einem Profi einweisen lassen.
Mein Tattoo-Meister war ein Engländer, den ich auf der Tattoo-Convention kennengelernt hatte. Er lebte hundert Kilometer von meinem Wohnort entfernt und ich bin jeden Tag zu ihm hingefahren und habe mir alles beibringen lassen, was man als Tätowierer können muss.
In erster Linie ging es natürlich ums Zeichnen, Zeichnen und nochmals Zeichnen. Sowohl freihändig als auch nach Schablonen. Es ist etwa unglaublich zeitaufwendig einen Adler eins zu eins abzuzeichnen. Aber auch Hygieneregeln muss man kennen und peinlich genau umsetzen - ob es nun ums Desinfizieren oder Sterilisieren etwa von Nadeln und Arbeitsgeräten oder allgemein ums Saubermachen geht.
Meine Ausbildung war teuer, ich musste zum Beispiel für Material 15 000 Mark investieren - damals gab es ja noch keinen Euro. Um das Geld aufzubringen und meinen Lebensunterhalt weiter bestreiten zu können, habe ich damals zum einen mein Sparbuch geplündert, zum anderen hatte ich noch eine reguläre Halbtagsbeschäftigung. Das war schon manchmal ein bisschen anstrengend: Arbeiten, jeden Tag hundert Kilometer für die Ausbildung fahren - und Hausaufgaben bekam ich auch noch auf.
Was meinen Alltag ausmacht:
Schon unmittelbar nach der Ausbildung habe ich den Gewerbeschein erworben und mich selbstständig gemacht. Mein Tattoo- und Piercing-Studio betreibe ich inzwischen seit über 30 Jahren. Und ich habe einen Mitarbeiter, der seit mittlerweile 23 Jahren bei mir ist.
Mir macht das alles immer noch viel Freude - der Kontakt mit den Kunden, das Zeichnen. Man sitzt zusammen und macht sich eine gute Zeit. Kunden äußern Wünsche in Sachen Tattoo oder ich berate sie, was zu ihnen passt. Ich gucke mir genau an, ob die Haut an der gewünschten Körperstelle gesund und intakt genug fürs Tätowieren ist. Ich erkundige mich bei Kunden auch, ob sie auf irgendetwas allergisch reagieren. Das ist wichtig zu wissen, bevor ich loslege.
Oft kommt es vor, dass Leute mir etwa eine Woche vor einer Sitzung Fotos von Motiven vorbeibringen, die sie sich als Körperschmuck wünschen. Anhand dieser Fotos fertige ich dann eine Zeichnung an. Kommt der Kunde dann vorbei, kann es mit dem Tattoostechen losgehen.
Bei größeren Motiven brauche ich etwa vier bis sechs Stunden und mitunter mehrere Sitzungen, bei kleineren Motiven ist das Tattoo oft schon nach etwa zwei Stunden fertig. Manchmal dauert eine kleine Tätowierung auch nur ein paar Minuten.
Wer zu meiner Kundschaft zählt:
Heute kommen Leute aus allen Schichten und allen Altersgruppen. Ich hatte auch schon Kunden, die um die 70 Jahre alt waren. Der Anteil von Frauen und Männern ist etwa gleich.
Früher, etwa ab den 1950er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre, waren Tattoos aber alles andere als Mainstream. Es waren vor allem Rocker und Punker, die sich tätowieren ließen. Und auch Leute, die gerne mal gekifft haben, kamen nicht selten, um sich ein Tattoo stechen zu lassen. Das hat sich inzwischen komplett gewandelt. Nur noch ganz selten kommt ein Rocker oder ein Punker vorbei.
Manchmal lehne ich es auch ab, jemandem ein Tattoo zu stechen. Zum Beispiel, wenn junge Leute um die Zwanzig zu mir kommen, die beruflich noch nicht fest im Sattel sitzen und sich den Unterarm, den Hals oder eine andere sehr augenfällige Stelle am Körper tätowieren lassen wollen.
Der Grund für mein Nein:
Es gibt heutzutage leider immer noch Arbeitgeber, für die ein Tattoo ein Einstellungshindernis ist. Würde ich also solchen jungen Leuten zu Körperschmuck an auffälliger Stelle verhelfen, wäre das extrem verantwortungslos.
Mit welchen Problemen ich gelegentlich zu kämpfen habe:
Man muss inzwischen fast jeden einzelnen Vorgang penibel dokumentieren und aufbewahren. Früher waren Tätowierer mit eigenem Studio wie Piraten auf hoher See, die Behörden hatten uns nicht auf dem Schirm. Heute ist schon viel Bürokratie dazugekommen.
Was ich zu hören bekomme, wenn ich meinen Beruf angebe:
Natürlich ist mein Beruf etwas ungewöhnlich - und das bekomme ich auch an den Reaktionen von anderen zu spüren. "Wow", sagen manche. So Leute wie ich haben mitunter eine Art Rockstar-Nimbus. Wohl deshalb, weil viele Rockstars sich Tattoos stechen lassen. Es gibt auch Leute, die sich eher abwertend über meinen Berufsstand äußern. Aber das lässt mich ziemlich kalt.
Was ich mir jobmäßig für die Zukunft wünsche:
Wünschenswert wäre aus meiner Sicht, dass dieser Selbst-Hype von manchen in meiner Branche über die sozialen Medien nachlässt und jeder einzelne ein bisschen mehr Demut und Bescheidenheit an den Tag legt.
Und dann würde ich mir wünschen, dass der Trend zu großflächigeren Tattoos zurückkehrt. Kleine Tattoos, die zurzeit sehr gefragt sind, verwischen sich mit zunehmendem Alter. Also lieber gleich etwas ordentliches Großflächiges, das auch noch in 30 Jahren gut aussieht.