Wir stehen mitten in der fünften Jahreszeit, die bekanntlich im Rheinland vom 11.11. bis zum Aschermittwoch des Folgejahres währt. Für die Jecken und Karnevalsfreunde, die dabei von der Session sprechen, ist sie die wichtigste Zeit im Kalender. Hier frönt man dem Brauchtum und an den Karnevalstagen von Altweiber bzw. Schwerdonnerstag bis zum Veilchendienstag darf man ausgelassen auf den Straßen und in den Sälen feiern, bevor die entbehrungsreiche Fastenzeit beginnt.
Fast hätte es das Jubiläum nicht gegeben
Erste Aufzeichnungen über frühes karnevalistisches Treiben der Mönche „am Eck“ gibt es aus dem 13. Jahrhundert. Weltlicher mit Feiern in Wirtshäusern wurde es im 16. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhunderts uferten die bürgerlichen Bräuche aus. Inzwischen hatten die in ihrem Bestreben um bürgerliche Ordnung sehr streng vorgehenden Preußen die Macht von den kurz zuvor aus dem Rheinland vertrieben, lebensfrohen Franzosen übernommen.
Besonders in Köln drohte dem Karneval durch ein Verbot das Aus, was 1823 durch die Gründung eines bürgerlichen Festkomitees der Karnevalisten verhindert werden konnte. Das gab klare Regeln für das Feiern in Wirtshäusern und Straßen vor und sorgte auch für deren Umsetzung. Die Kunde von diesen Reformen ging schnell den Rhein hinauf – schon 1824 schlossen sich die Koblenzer an und gründeten zahlreiche Vereine, die fortan für den organisierten Karneval in der Schängelstadt sorgten und dies bis heute unter der zwischenzeitlich gegründeten Arbeitsgemeinschaft Koblenzer Karneval (AKK) tun.
Eine besondere Herausforderung für die AKK
Somit steht das 200. Jubiläum des Fastnachtbrauchtums in der heute ausgelebten Form an und die AKK steht damit in einer ganz besonderen Session. Für AKK-Präsident Andreas Münch begann diese bereits am Aschermittwoch 2023: „Wir waren mit unserem Team auf dem besten Weg, die Einschränkungen der Corona-Pandemie zu überwinden, als uns Präsident Christian Johann mitteilte, dass er für seinen Arbeitgeber Bundeswehr demnächst in die USA gehen werde und deshalb sein Amt nicht mehr ausüben könne. Im Frühjahr wurde ich dann vom ‚Vize‘ in das Führungsamt der AKK gewählt und in den zurückliegenden sechs Monaten dufte ich mit dem AKK-Team die Jubiläumssession vorbereiten.“
Zu der gehört auch, dass diesmal nicht, wie sonst üblich, einer der 43 AKK-Vereine das Tollitätenpaar und dessen Hofstaat stellt, sondern diese Aufgabe in die Hände der AKK gelegt wurde. „Üblicherweise hat ein ausgewählter Verein rund drei Jahre Zeit, die Findung von Prinz und Confluentia zu bewerkstelligen und deren Team auf die Session vorzubereiten. Uns blieben gerade mal sechs Monate dafür, in denen es die Interessen der Mitgliedsvereine zu koordinieren galt, die Protagonisten zu finden und dann den zwölfköpfen engeren Kreis um das Tollitätenpaar zusammenzustellen. Dabei mussten wir diesmal auch von der sonst üblichen Geheimhaltung, wer denn der Prinz und seine Confluentia sein wird, ein bisschen abrücken. Schließlich sollten alle AKK-Vereine am Hofstaat beteiligt sein und die wollten vor einer Entscheidung, wen sie dafür nominieren, wissen, mit wem sie da zusammenarbeiten würden. Aber das ist alles mit großem Vertrauen und Einigkeit abgelaufen und ich glaube, das hat den besonderen Zusammenhalt des Koblenzer Karnevals eindrucksvoll unterstrichen“, blickt Andreas Münch auf die arbeitsreichen, aber auch spannenden Monate, zurück.
Herz, Leidenschaft, Begeisterung, Erfahrung – alles im Tollitätenpaar vereint
Sowohl bei der ersten öffentlichen Vorstellung der Tollitäten Anfang November im Koblenzer Rathaus wie auch beim großen Sessionsauftakt am 11.11. auf dem Münzplatz wurde deutlich, dass man mit Prinz Dirk, dem Vollblut-Geck mit Liebe zum Eck, und seiner Lieblichkeit Confluentia Jenni die richtige Wahl getroffen hat. Beide lernten sich und die ihnen zugedachten Rollen erst im Laufe des Sommers kennen. Und doch traten sie mit ihrem Hofstaat an beiden Terminen mit einer Fröhlichkeit und Routine auf, die die Jecken in Koblenz sofort begeisterte. Dabei bringen beide unterschiedliche Voraussetzungen und Erfahrungen mit.
Prinz Dirk Schmidt ist 1974 in Neuwied geboren und lebt mit seiner Familie im beschaulichen Westerwalddorf Epgert. Doch das Narren-Gen scheint er in sich zu haben, denn seit seinen frühen Jahren ist er immer mittendrin im rheinischen Straßenkarneval. Zum „Eck“ führte ihn seine Ausbildung zum Technologen für Labormedizin, die er 1996 in Koblenz begann. Nach dem Abschluss 1998 war er zunächst im Evangelischen Stift tätig, übernahm dort 2010 die Laborleitung, bevor er 2018 an seinen heutigen Arbeitsplatz im Management des Kliniklabors Koblenz wechselte.
Einem Koblenzer Karnevalsverein gehört Prinz Dirk nicht an, aber das war wohl auch für die Jubiläumskonstellation ein hilfreicher Aspekt, ihm das Prinzenamt anzuvertrauen. Den Karneval in Koblenz hat er in der Schängelstadt mehr als kennen- und lieben gelernt. Vor allem die Pandemie, als es große Herausforderungen im Labor und auch für die Jecken zu bewältigen gab, rückte den Karneval und seine Protagonisten sehr nahe an Dirk Schmidt heran. Als die AKK ihn dann fragte, ob er sich irgendwann einmal das Prinzenamt vorstellen könne, kam ein klares „Ja“.
Dass es dann schon in diesem Jahr sein soll, hat ihn aber kurz zögern lassen. „Es war kaum Zeit, Erfahrungen zu sammeln, die Vereine kennenzulernen und sich vorzubereiten. Aber das hat mich auch gereizt und die Entscheidung war dann klar: Ich will das Abenteuer wagen, für Koblenz und seinen Gecken ein Prinz mit Leidenschaft sein und die fehlende Erfahrung mit Herz und Vertrauen auf alle rund um das Amt wett machen.“
Herz und Leidenschaft für den Karneval – das bringt die Confluentia Jenni in gleichem Maß mit. Dazu kommt bei ihr eine reichhaltige Erfahrung aus den zurückliegenden rund 25 Jahren. 1991 in Koblenz geboren, wurde Jennifer Sauerborn, geb. Otto, der närrische Virus quasi in die Wiege gelegt. Ihr Vater Stephan ist Ehrengeschäftsführer der AKK und war 2007 Prinz, Mutter Anja ist gemeinsam mit Tochter Jenni im Möhnenverein „Fidele Mädcher“ aktiv und nun auch als Adjudantin der Confluentia im engsten Kreis ihres Gefolges.
Für Jenni ging es nach Kindergarten, Grundschule Schenkendorf und dem Besuch des Hilda-Gymnasiums in eine kaufmännische Ausbildung. Seit 2016 arbeitet sie bei der Debeka Versicherung. Koblenz hat sie somit im privaten und beruflichen Leben nie verlassen, heute lebt sie mit ihrem Mann Timo und den beiden Kindern in Bubenheim. „365 Tage im Jahr war durch das Engagement meiner Eltern in der Familie quasi Karneval“, sagt Jennifer. „Mit sechs Jahren begann ich mit dem Showtanz bei den Tanzmäusen KA-JU-SA-JO, viele Jahre folgten beim NCW und den Kesselheimer Kapuzenmännern. Seit 2021 trainiere ich mit einer Freundin gemeinsam die kleinen und mittleren Funnys bei den Fidele Mädcher.“ Dort gehört sie seit 2021 auch zum Vereins-Vorstand.
Karnevalistische Erfahrung sammelte die Confluentia zudem im Gefolge 2007 des „Prinzen Stephan“, ihrem Vater, und als Page im Jahr 2013. „Der Karneval hat mir in meinem Leben schon sehr viel Positives gegeben und das versuche ich in meinen Ämtern an die Jüngeren weiterzugeben. Ich freue mich auf eine tolle Session gemeinsam mit Prinz Dirk und bin auch stolz darauf, dass uns alle AKK-Vereine unterstützen.“ Das drückt sich schon darin aus, dass dem großen Hofstaat, mit dem die Tollitäten in den großen Hallen auftreten werden, 172 Jecken aus allen 43 Vereinen angehören.
Kurz, aber glanzvoll soll es werden
Das werden die Koblenzer in jedem Fall am 6. Januar 2024 erleben, wenn in der Rhein-Mosel-Halle das Tollitätenpaar inthronisiert wird. AKK-Präsident Andreas Münch verspicht schon jetzt: „Das wird in dieser Session einer der ganz großen Höhepunkte. Es wird ein Kaleidoskop des Koblenzer Karnevals mit vielen Auftritten der heimischen Redner, Sänger und Tanzgruppen. Und es wird auch ein paar Überraschungen geben, über die ich jetzt noch nichts verraten darf. Ich bin aber sicher, alle Besucherinnen und Besucher werden voll auf ihre Kosten kommen.“
200 Jahre Koblenzer Karneval – gut, dass man sich 1823 mit der preußischen Obrigkeit einigen konnte und dem rheinischen Brauchtum eine Basis gab, die bis heute Gültigkeit hat. „OLAU“, so lautet der „Schlachtruf“ in Koblenz, der sich in der Gestalt von großen Buchstaben schon seit einigen Wochen durch Koblenz bewegt. Auch das gehört zu den Jubiläumsaktivitäten der AKK. Die Session ist diesmal recht kurz, denn am 12. Februar ist bereits Rosenmontag. Man darf sich aber sicher sein, dass besonders Prinz Dirk und Confluentia Jenni mit ihrem Gefolge alles geben werden, um diese besondere Session unvergesslich zu machen.
Mehr zum AKK und den Veranstaltungen auch unter www.akk-koblenz.de
Fotos: Godehard Jurascheck