Ikke Hüftgold


Partyschlager mit Tiefgang
Matthias Distel ist mehr als „Ikke Hüftgold“

Die meisten kennen den gebürtigen Limburger Matthias Distel als „Ikke Hüftgold”, den proletenhaften Ballermann Partyschlagerstar, der neben Songs wie „Dicke Titten, Kartoffelsalat” auch durch seine Markenzeichen, den roten Trainingsanzug und die schwarze Perücke, bekannt geworden ist. Doch hinter dem derben Image steht ein äußerst erfolgreicher und bescheidener Künstler, der deutlich mehr auf dem Kasten hat, als man durch seine Performance denken mag.

Erfolg auf ganzer Linie

Gemeinsam haben die CEOs Matthias Distel und Dominik de León die „Summerfield-Group“ gegründet – eine Firma mit rund 50 Mitarbeitern und Sitz in Heiligenroth im Westerwaldkreis. Die Künstleragentur ist Tonstudio, Plattenfirma und Buchungsportal für Schlagerkünstler aller Art. Dort schreiben die beiden Musikproduzenten nicht nur Liedtexte für Ikke Hüftgold, sondern auch für viele andere Partyschlagerkollegen wie DJ Robin und Schürze mit ihrem Megahit „Layla“ oder Isi Glück und Lorenz Büffel. Letzterer singt den Dauerbrenner „Johnny Däpp“, welcher als erster Schlagersong 2020 mit Platin ausgezeichnet wurde.
Bei Distels Teilnahme am Vorentscheid zum ESC 2023 hat er mit seinem Song „Lied mit gutem Text“ den 2. Platz erreicht. Ein weiterer, riesiger Erfolg, ist das im Dezember 2023 erschienene Ikke Hüftgold-Album „Nummer Eins“, das bereits eine Woche später tatsächlich zur Nr. 1 der deutschen Albumcharts wurde. Ein Meilenstein für das Partyschlager-Genre, denn zuvor ist dies keinem anderen Künstler gelungen. Ende 2024 wird das Ganze noch mit seiner „Nummer Eins Tour” durch 14 deutsche Großstädte gekrönt. Doch damit noch nicht genug: Als aktuelles Werbegesicht eines Vergleichsportals, hat er für deren Kampagne zur Fußball-Europameisterschaft den Song „Mach ihn rein” geschrieben. Das dazugehörige Ballermann-Fußball Album ist in Arbeit.

Gerechtigkeitssinn und soziales Engagement

Dass er eine ganz andere Seite hat, als sein Alter Ego vermuten lässt, hat Distel bei seiner „Promi Big Brother“-Teilnahme 2020 gezeigt, als er bereits an Tag 5 die Perücke fallen ließ und enthüllte, wie er wirklich ist: empathisch, authentisch und bodenständig. Bis dahin hat Distel Privatleben und Kunstfigur getrennt. „Seit Big Brother sind die Figur und mein Privatleben ein Stück weit vermischt, aber die Leute wissen, wer ich bin, was ich mache und ich werde nicht mehr nur auf meine Kunstfigur reduziert“, erklärt er. „Ich wurde von vielen oft unterschätzt.“

Distel ist ein Mann, der nicht nur kein Blatt vor den Mund nimmt und Missstände offen anspricht – er engagiert sich auch sozial. So haben er und sein Team nicht nur für die Flutkatastrophe im Ahrtal Spenden gesammelt, sie starteten kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auch eine spontane Hilfsaktion. „Wir konnten rund 1300 geflüchtete Kinder und Erwachsene an der ukrainischen Grenze abholen und uns um deren sichere Unterbringung kümmern”, berichtet der 48-jährige. Einen Auftritt in Südtirol hat er dafür kurzerhand abgesagt.

Die „Summerfiel-Kids-Foundation“

Mit der Gründung der „Summerfield Kids Foundation“ hat Distel eine feste Institution in seinem Unternehmen geschaffen, die nicht nur diese Hilfsaktion möglich gemacht hat. Die Stiftung setzt sich in erster Linie für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien ein und bietet neben materieller Unterstützung auch emotionale Hilfe, Schutz und Aufmerksamkeit.
Ausschlaggebend für die Gründung der Stiftung war seine Teilnahme an dem TV-Format „Plötzlich arm, plötzlich reich”, wo er ungeschönt den Alltag sozial schwacher Familien zu spüren bekam. Schockiert über die Missstände und die „gewissenlose Quotenjagd, die auf dem Rücken misshandelter Kinder ausgetragen wird“, hat er die Dreharbeiten abgebrochen und Anzeige gegen den Sender erstattet. „Beschämt”, wie er selbst sagt, und angetrieben durch den Wunsch zu helfen, wurde im Mai 2021, zusammen mit seinen Freunden und Kollegen Massimo Portelli, Marc Wenzelmann und Marcel Höhn, die Foundation geboren.

Vielseitige Projekte

„Die vier MA’s“, wie sie sich selbst nennen, sammeln nicht nur über Social-Media-Kanäle Spenden, sondern generieren auch durch Aktionen wie „Promis kicken für Kids“ Erlöse, die direkt in ihre Foundation fließen. Mit ihrem Projekt „Hütten for Kids“ können benachteiligte Kinder das erleben, was für die meisten Kinder selbstverständlich ist: verreisen und mit ihrer Familie eine unbeschwerte Zeit verbringen, Spaß haben und so aus dem schwierigen und belastenden Alltag entfliehen.
Die von der Band „Electric Callboy“ gegründete „EC Music School”, die musikinteressierten Kindern die Möglichkeit gibt, ein Instrument zu lernen, wird von der Stiftung ebenso unterstützt, wie der Verein „Walking with Giants Germany” mit dem Programm „Joni & Friends”, das lebensverkürzt erkrankten Kindern Ferienfreizeiten ermöglicht. Ganz neu hinzugekommen ist der „Ambulante Kinder- und Jugend Hospizdienst“ im Westerwald.

Ein besonderer Anruf

Als im Sommer 2023 der Anruf von Doro Meurer kam, die auf der Suche nach Sponsoren für ihren neu gegründeten „Verein zur Förderung der Kinderhospizarbeit Westerwald e.V.“ war, war den Vieren sofort klar, dass sie ihre Bekanntheit, Reichweite und finanziellen Ressourcen nutzen wollen, um den Verein zu unterstützen. Bereits vor sieben Jahren hatte Distel bei seiner Teilnahme an dem Charity-Fußballspiel „Kicken für Joni“ den damals einjährigen Jonathan kennengelernt, der an einem äußerst seltenen, lebensverkürzenden Gendefekt erkrankt ist und der seit der ersten Begegnung zur Summerfield-Familie dazugehört.
Umso verwunderlicher fanden die Vier, dass sie nicht schon früher auf die Idee gekommen waren, ihre Foundation zur Unterstützung von Hospizarbeit zu nutzen. „Es war ein absoluter Gänsehautmoment”, erzählt Doro Meurer immer noch überwältigt. Keine 24 Stunden nach ihrem Anruf bei Massimo Portelli klingelte bei der gelernten Krankenschwester und Sozialpädagogin mit langjähriger Erfahrung in der Hospizarbeit das Telefon. Die „Summerfield-Kids-Foundation“ wollte ihre Arbeit nicht nur mit einer einmaligen Spende unterstützen, sondern bot ihr einen Kooperationsvertrag für eine langfristige Zusammenarbeit an.

Hospizarbeit ohne staatliche Förderung

Als Doro Meurer und Diplom-Pflegewirtin Desirée Luckenbach bewusst wurde, dass es für den gesamten Westerwaldkreis, in dem ca. 120 betroffene Familien wohnen, keinen mobilen Dienst, keine Anlaufstelle und Unterstützung gibt, gründeten sie gemeinsam den Verein. Doch der Aufbau und die Führung eines ambulanten Hospizdienstes sind teuer. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter müssen geschult, das nur 120m² große Gebäude in Hachenburg muss bedürfnisentsprechend umgebaut und die Mobilität der Mitarbeiter sichergestellt werden. Da es für Hospizdienste keinerlei staatliche Förderung gibt, sind solche Einrichtungen zu 100% auf Spenden angewiesen.
Durch Zuwendungen vieler großer und kleiner Firmen sowie Vereine aus der Region und mit Hilfe der „Summerfield-Kids-Foundation“ konnte bereits innerhalb von vier Monaten die erste Hälfte der erforderlichen 50.000 Euro generiert und exakt ein halbes Jahr später, am 3. Mai 2024, die Eröffnung des Hospizdienstes realisiert werden. Doro Meurer ist glücklich und dankbar für den Zuspruch, die Unterstützung und das vielseitige Engagement. Distel ist wie die meisten Menschen emotional tief getroffen von dem Thema Kinder- und Jugendhospizarbeit. „Ich hoffe, dass durch eine Sensibilisierung der Gesellschaft auch in der Politik die Wichtigkeit der Arbeit erkannt wird und zukünftig auch vom Bund Gelder zur Verfügung gestellt werden.“ Doch seine Zweifel an der Bereitschaft des Bunds sind deutlich spürbar.

Er und auch Doro Meurer haben die Vision, dass das Thema Sterben mehr ins Leben integriert, die Hospizarbeit enttabuisiert und der Umgang mit dem Tod selbstverständlich wird. Wer passt da besser als Distels „Ikke Hüftgold“, der reine Freude und Spaß verkörpert und der damit zeigt, dass das Leben jederzeit und überall gefeiert werden kann.

Text: Jasmin Rumpf
Fotos: Summerfield-Group, Jasmin Rumpf

Jasmin Rumpf