Dörthe Dutt


Ein Doppelleben der besonderen Art
Udo Eulgem und Dörthe Dutt

Wer in Koblenz den Karneval feiert und weiß, was es mit „Olau!“ und der „Confluentia“ auf sich hat, der hat auch sicherlich schon etwas von Dörthe Dutt gehört. Die schillernde Drag Queen und selbsternannte „Grande Dame des Koblenzer Showbizz“ glänzt solo oder mit der „Rosa Bütt“ auf den Bühnen von Koblenz und Umgebung als Sängerin, Künstlerin und Entertainerin. Die extravagante Diva ist nicht nur für ihre Eleganz, sondern auch für ihre ungenierte Art, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, bekannt. Doch wer steckt eigentlich hinter dem aufwendigen Make-up und den ausgefallenen Kostümen?

Es ist der 53-jährige Udo Eulgem. Seit 36 Jahren teilt er sich mit der Kunstfigur seinen Körper, und die beiden könnten kaum unterschiedlicher leben. Während der gelernte Schauwerbegestalter Udo Eulgem Vollzeit als Abteilungsleiter in einem großen Modeunternehmen arbeitet, ist Dörthe Dutt auch außerhalb der Fünften Jahreszeit eine feste Größe in der Koblenzer Kulturlandschaft.
Sie organisiert Events, moderiert diverse Veranstaltungen, wird für private Events gebucht oder geht mit ihrem Solo-Programm auf Tour. Zudem ist sie ein gern gesehener Gast wie beispielsweise auf dem Koblenzer Oktoberfest, wo sie mit ihrem speziellen Kuh-Outfit für Aufsehen sorgte.

Verwandlung und klare Trennung

Wenn Udo Eulgem in die Rolle von Dörthe schlüpft und sich in eine Drag Queen verwandelt, legt er seine Identität als Udo vollständig ab. „Dörthe übernimmt die Führung und knipst mich sozusagen aus. Es ist ein bisschen wie bei Dr.Jekyll und Mr.Hyde“, erklärt Eulgem das Phänomen das eintritt, sobald er in die High Heels gestiegen ist.

Wenn man ihn fragt, was er an Dörthe Dutt am meisten schätzt, ist es wohl vor allem die Eigenschaft, dass sie Dinge macht oder sagt, die sich der bodenständige und besonnene Udo niemals trauen würde. „Ich schätze an Dörthe ihre Spontanität und hätte gerne ihr Selbstbewusstsein. Sie weiß, was sie tut, sie weiß wer sie ist und sie steht zu 100 Prozent dahinter.“ Dörthe wiederum ist Udo dankbar dafür, dass er alles für sie tut und genau weiß, wann er sich zurückziehen muss.

Was zunächst skurril klingt, ist jedoch zum einen eine klare Differenzierung zwischen Beruf und „Hobby“ und zum anderen die Trennung von zwei völlig unterschiedlichen Charakteren, die – jede(r) für sich – ihren Leidenschaften und Talenten nachgehen. Mit Erfolg. An den meisten Wochenenden im Jahr ist Dörthe ausgebucht, ihre Bühnenprogramme innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

Vom Karnevalsprinzen zur Drag Queen

Udo Eulgem war bereits als Kind im Karneval aktiv. Kaum verwunderlich, dass der an einem Rosenmontag Geborene, 2011 Karnevalsprinz „Prinz Udo der Buga Prinz von Kowelenz“ war. Doch zugunsten von der immer erfolgreicher werdenden Dörthe Dutt zog er sich mehr und mehr aus dem aktiven Karneval zurück und wurde der Mann hinter Dörthe. Doch das, was bei Dörthe nach Spaß und Leichtigkeit aussehen mag, ist das Ergebnis jahrelanger, harter Arbeit.

Was in der Kantine von Eulgems damaligem Arbeitgeber als Karnevalsparodie von „Mary & Gordy“, ein bekanntes Drag Queen Duo der 90er Jahre, begann, hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und perfektioniert. Gerade was die Bühnenpräsenz, das Bühnenbild und Programm betreffen, aber auch Haare/Make-up und nicht zuletzt den Gesang, hat Dörthe immer an sich gearbeitet, an Details gefeilt und sich auch Ängsten gestellt. „Obwohl ich schon als Kind im Chor gesungen habe, nehme ich Gesangsunterricht. Ich bin keine begnadete Sängerin, aber das Singen gehörte für mich irgendwann zum Programm hinzu.“ Das ist letztlich auch das, was sie von anderen Drag Queens unterscheidet. Sie singt nicht nur live, sondern auch selbstgeschriebene Lieder und hat sich somit schon lange von den klassischen Lip-Sync-Performances, wie es für Drag Queens typisch ist, verabschiedet.

Die „Rosa Bütt“ als Meilenstein

Ein weiterer Durchbruch kam mit der „Rosa Bütt“, die sie 2013 mit Schauspieler und Regisseur Frank Eller gründete und die im Café Hahn ihre feste Bühne hat. Während Eller die Sprechtexte schreibt, kümmert sich Eulgem – ja, es ist tatsächlich Udo und nicht Dörthe – um Programm, Bühnenbild, Musik und Kostüme. So kann er seine Kreativität ausleben und Dörthe sorgt mit ihrem Improvisationstalent wiederum dafür, dass jede Show einzigartig wird. Sie geht auf das Publikum ein, interagiert und weicht vom Drehbuch ab. Bis auf ein einziges Mal hat sich Dörthe, gerade bei ihren Soloauftritten, nie an das selbstgeschriebene Programm gehalten: „Das habe ich einmal gemacht und hatte ein vollkommenes Blackout“, erzählt sie lachend.

Das sechsköpfige Schauspieler- und Sänger-Ensemble der „Rosa Bütt“ und die „Rosa Bütt Big Band“ sind aus dem Koblenzer Karneval nicht wegzudenken und die 17 Termine für die Karnevalssaison 2025 waren, wie jedes Jahr, innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. So stehen Figuren wie z. B. die schwule Rita gemeinsam mit Frontfrau Dörthe wieder auf der Bühne und unterhalten ihr begeistertes Publikum. „Der Zuspruch der Zuschauer macht mich glücklich“, erklärt sie. „Wenn sie Spaß hatten und mit Standing Ovations applaudieren, weiß ich, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat.“

Hass und Hetze gegen LGBTQAI+

Doch es gibt auch die Kehrseite des Glanzes und Glamour, denn natürlich polarisiert Dörthe Dutt. Nicht nur durch ihre extrovertierte, teils bewusst provokante Art, sondern vor allem durch ihr Auftreten als Drag Queen und ihre sexuelle Orientierung wird sie immer wieder angefeindet. „Ich kann tatsächlich nicht ohne Begleitung durch die Straßen gehen“, sagt sie und die Gefahr, in die sie sich durch ihre „Andersartigkeit“ begibt, ist bitterer Ernst. „Die LGTBQAI+ Bewegung hat sich noch lange nicht als selbstverständlich in der Gesellschaft etabliert. Im Gegenteil“, erklärt sie bedrückt. „Die Akzeptanz und Toleranz ist durch politische und gesellschaftliche Veränderungen sogar wieder rückläufig geworden.“ Trotz ihres großen Selbstbewusstseins belasten auch sie die Kommentare der Hater und die massiven Attacken, denen sie ständig ausgesetzt ist. „Ich lasse mich aber davon nicht kleinkriegen“, sagt sie bestimmt, „ich würde niemals deswegen das Handtuch werfen.“

Doch nicht nur, weil es ihr Spaß macht, die Menschen mit ihren Performances zu unterhalten, sie hat gewissermaßen auch einen gesellschaftlichen Auftrag, ist nicht nur Kunst- und Kultfigur, sondern auch ein Sprachrohr der queeren Bewegung. „Es war ein unglaublich bewegender Moment, als auf einem CSD ein junger Mann zu mir kam und mir sagte, dass ich ein Vorbild für ihn sei“, berichtet sie gerührt von einer der vielen positiven Begegnungen. Sie und auch Udo machen sich stark für die queere Gesellschaft. Der 53-Jährige ist u.a. Mitorganisator des Christopher Street Day (CSD) in Koblenz.

„Dörthe bleibt in Koblenz“

Hauptberuflich als Drag Queen zu arbeiten, kommt jedoch weder für Dörthe noch für Udo in Frage. „Dafür bin ich zu alt und meine Füße danken es mir, wenn ich nicht jeden Tag auf der Bühne stehe“, sind sich beide einig. Zudem ist der Hang zum Perfektionismus das, was beide am meisten aneinander stört. „Dörthe will (und soll) immer perfekt aussehen und das bedeutet für mich Schmerzen“, berichtet Eulgem schmunzelnd. High Heels, Corsagen und enge, aufwendige Kostüme sind nun mal nicht unbedingt bequem. Da sich Udos und Dörthes Arbeitsleben jedoch gut miteinander vereinbaren lassen, bleibt er somit der Hauptverdiener und ist gewissermaßen auch Dörthes Manager. Die Auftritte bleiben regional begrenzt. „Wenn ich Dörthe größer machen wollen würde, müsste ich meine Arbeitszeit reduzieren und deutlich mehr Zeit in die Rolle investieren“, erklärt er. Der Gedanke, Dörthe Dutt zum Hauptberuf zu machen, kam zwar immer wieder auf, doch spätestens seit Corona war Udo Eulgem klar, dass ihm das Risiko, als hauptberuflicher Künstler plötzlich kein Geld verdienen zu können, zu groß ist.

Dörthe hat ein anderes Ziel. „Ich möchte Confluentia 2029 werden“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. Ob sich das tatsächlich realisieren lässt, ist fraglich. „Eine Draq Queen zur Confluentia zu ernennen, wäre ein großes Statement und so weit ist Koblenz noch nicht. Der Karneval ist dafür viel zu ernst und zu politisch“, erklärt sie. Aber wer weiß. Vielleicht gibt es doch wieder die dringend notwenige Kehrtwende in der Gesellschaft hin zu mehr Toleranz und Akzeptanz. „Bis 2029 hat Koblenz ja noch ein bisschen Zeit“, sagt sie. Wir sind gespannt.

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@doerthedutt
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Fotos: Fotosche, Monolito Röhr

Text: Jasmin Rumpf